"Karusel": Asta Nielsens legendäres Sommerhaus auf Hiddensee
Die Ostseeinsel ist bekannt als Sehnsuchtsort und Künstlerinsel. Auch architektonische Schätze hat sie zu bieten - zum Beispiel vier Häuser des renommierten Berliner Architekten Max Taut. Darunter das Sommerhaus der berühmten Stummfilmschauspielerin Asta Nielsen.
Hiddensee - die Sehnsuchtsinsel. Das war in den 20er Jahren so - und ist es heute auch noch. Direktoren und Künstler ließen sich von renommierten Architekten wie beispielsweise Max Taut Sommerhäuser bauen. In diesem Jahr werden zwei Taut-Häuser 100 Jahre alt. Darunter das "Karusel", Feriendomizil der berühmten Stummfilmschauspielerin Asta Nielsen. Der 1967 verstorbene Berliner Max Taut schuf zwischen 1922 und 1925 vier expressionistische Häuser auf der 20 Quadratkilometer großen Ostseeinsel. Und die heben sich von den typisch weißen Fischerhäusern mit ihren Strohdächern ab. Ja, sie wirken durch Farbe und Form geradezu verspielt.
Das "Karusel" - Sommerhaus von Asta Nielsen
"Wir laden sie ergebenst am 10. Juli 8 ½ Uhr zu einer Probefahrt ein! Freibrötchen! Sollte sich das Ding zu doll gedreht haben werden zwischen den Touren kleine Stärckungen verabreicht. Die Karussellinhaber". Das schrieb der dänische Stummfilmstar Asta Nielsen im Jahr 1931 auf eine Einladungskarte an Vitter Freunde. Im Oktober 1928 erwarb sie mit Tochter Jesta das blau-weiß gestrichene Haus mit den beiden abgerundeten Ecken und dem roten Ziegeldach. Es war ihr "rundes Paradies", ihr "Karusel", ihre eigene Wortschöpfung, und das erste von Architekt Max Taut geplante Haus auf Hiddensee, was tatsächlich umgesetzt wurde.
Ein fröhliches Haus - irgendwie anders und doch passend zur Insel
Der erste Entwurf des Hauses war für einen Maler namens Mutzenbecher, erzählt Jana Leistner vom Heimatmuseum. Doch der sei von diesem Hausprojekt wieder zurückgetreten - aus verschiedenen privaten Gründen. "Und ein Jahr später", erläutert sie die Entstehung dieses fröhlich wirkenden Gebäudes auf dem Weg "Zum Seglerhafen" weiter, "hat Max Taut noch mal planen dürfen für Hiddensee. Dann eigentlich entgegen der Inselarchitektur - ohne Rohrdach, farbenfroh. Und dass dieses Häuschen so entgegengesetzt ist, aber sich dann trotzdem in die Inselarchitektur einfügt, wie Max Taut das geschafft hat, bin ich selber auch immer wieder fasziniert."
Architektur aus Berlin
Konzipiert wurde das eingeschossige Haus mit der Veranda und den Fledermausgauben für Richard Müller, kaufmännischer Direktor in Berlin-Schöneberg. Die Rohbauabnahme fand im Jahr 1923 statt. Architekt Max Taut hatte zusammen mit seinem Bruder Bruno und Franz Hofmann ein Büro am Kurfürstendamm. Max Taut wird als bodenständig beschrieben, als jemand, der sich dem sozialen Gedanken verschrieben hat.
"Die Sommerhäuser, die auf Hiddensee entstanden, sind für eine exklusive Bauherrschaft" erklärt Jana Leistner. "Sie sind wirklich eher untypisch und das macht es zugleich so spannend. Allerdings stellen wir fest, wenn wir in die Akten schauen, dass die Betreuung der Bauten vor Ort vermutlich eher vom Partner Franz Hofmann übernommen wurde, weil Max Taut in Berlin zwei große Projekte zu bewältigen hatte."
Tauts Renommee zahlt sich aus
So schuf Max Taut neben den Hiddenseer Häusern das mehrstöckige "Haus für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund in Berlin-Mitte" und das Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker. Wie er zu den Häusern auf Hiddensee gekommen ist, leitet Jana Leistner so her: "Familie Müller, die Bauherren des heute als Asta Nielsen-Haus bekannten Hauses, sind tatsächlich in unmittelbarer Nachbarschaft der Familie Weidermann zuhause gewesen. Man kann also vermuten, dass das erste Haus wirklich der Ausgangspunkt war für das benachbarte Haus: das Haus Weidermann. Also eine Familie baut und empfiehlt den Architekten weiter."
Taut-Häuser in Vitte und Kloster
Das Asta-Nielsen-Haus ist heute Museum und Standesamt. Das ebenfalls 1923 errichtete Haus Weidermann nebenan - ein ähnliches Haus mit gelbem Anstrich und tief herabgezogenem Ziegeldach - ein Wohnhaus. Die beiden anderen von Max Taut geplanten Gebäude befinden sich in Kloster. Während das sogenannte Haus Pingel nur noch durch sein geschwungenes Dach als Taut-Haus auszumachen ist, blieb das Doktorantenhaus im Original erhalten. Als Sommerhaus um 1925 erbaut, wurde es fünf Jahre später von der Universität Greifswald gekauft - der Anfang der biologischen Forschungsstation Greifswald. Irmgard Blindow war dort Leiterin.
"Einige Möbel sind noch aus der Zeit. Das ist aber wenig", erinnert sich Blindow. "Die meisten Möbel sind neu angeschafft - jetzt im Stil der 20er Jahre. Dafür haben wir eine ganze Reihe Fotos, die zeigen, wie es früher ausgesehen hat. Das Dach ist noch original, wurde nur mal repariert, und auch das restliche Gebäude ist noch wie im ursprünglichen Zustand."
Zeitgeschichte zum Entdecken
Anfang der 30er-Jahre ging es rund in dem denkmalgeschützten Gebäude - die historischen Fotos zeigen Frauen und Männer in Anzug und Krawatte an Mikroskopen. Im Asta-Nielsen-Haus währenddessen trafen sich Künstler zum heiteren Kaffeetrinken und Kartenspielen. Als die Nazis die Macht ergriffen, verließ Asta Nielsen Deutschland und ihr geliebtes Sommerhaus auf Hiddensee.
Diese Zeitgeschichte kann man auch heute noch entdecken: Das Asta-Nielsen-Haus kann fast täglich besichtigt werden. Und wer einen Blick in das Doktorantenhaus werfen möchte, ist am Tag des offenen Denkmals am 10. September vormittags willkommen.