Kathleen Ryan: Deutschland-Debüt in der Hamburger Kunsthalle
Vergammelte Lebensmittel, Alteisen, riesige Beton-Weintrauben oder bunter Plastikwahnsinn - die Skulpturen der US-amerikanischen Künstlerin Kathleen Ryan sind ungewöhnlich und immer mehrdeutig. In der Hamburger Kunsthalle werden sie erstmals in Deutschland gezeigt.
Vor vier Jahren hat Ryan den Rosa-Schapire-Preis der Kunsthalle erhalten, und nun hat das Haus für die Preisträgerin eine ganze Etage in der Galerie der Gegenwart freigeräumt. Die Ausstellung ist bis zum 11. August zu sehen.
In einer Ecke liegen, wie achtlos hingeschmissen, zermatschte, angebissene Wassermelonenreste - bis zu einem Meter groß. In einem mannshohen Metallcontainer häufen sich eklig-vergammelte Kirschen mit weißen Schimmelflecken - jede groß wie ein Fußball. Und die Fäulnis einer schon grau-blau-schimmernden Riesenzitrone scheint man geradezu zu riechen.
Doch was aus der Distanz monströs und eklig wirkt, wird aus der Nähe erkennbar als Skulpturen, die aus Tausenden miteinander montierten, glitzernden Halbedelsteinen bestehen.
Ein Bogen zwischen Hässlichkeit und Schönheit
"Was mich interessiert, ist dieser Bogen zwischen Hässlichkeit und Schönheit - und alles dazwischen", sagt der britisch-stämmige Kurator Jasper Sharp, der Kathleen Ryan 2019 für den Rosa-Schapire-Preis vorschlug und der medienscheuen Künstlerin jetzt ihre erste Museumsausstellung in Deutschland ausrichtet. Mit kleinen und sehr großen Skulpturen.
"Sie muss unfassbar geduldig sein, um diese Arbeit zu tun", sagt Sharp und fügt hinzu: "Die Produktion ist extrem repetitiv. Aber ich sehe auch in ihrer Arbeit, dass sie sehr ungeduldig ist. Es sind nur zehn Jahre Arbeit. Und es gibt schon sechs, sieben klar identifizierbare Werkgruppen. Für eine junge Künstlerin ist das eine extrem schnelle Entwicklung."
Kathleen Ryan unterläuft vermeintliche Gewissheiten
Dabei entpuppt sich die gerade 40 Jahre alt gewordene Kathleen Ryan als leichthändige, spielerische und gleichzeitig abgründige Künstlerin, die immer wieder vermeintliche Gewissheiten unterläuft, unsere Wahrnehmung irritiert: Leicht wie aus Styropor wirkt eine Kette aus großen, perlmuttschimmernden Perlen, die sich elegant auf dem Boden schlängelt - dabei besteht sie aus kiloschweren, ausrangierten Bowlingkugeln.
"Kathy hat diese 35 Bowlingkugeln einfach zusammengefädelt. Das ist ein Spiel, das durch die ganze Ausstellung geht: Die Erwartungen, die man hat von etwas - und wie diese Erwartungen sich umdrehen", erklärt Sharp.
Fundstücke aus Müllhalden und Schrottplätzen
Stets verwendet die Künstlerin für ihre Skulpturen Fundstücke, die sie auf Müllhalden oder Schrottplätzen findet. Die Schale eines der Wassermelonen-Stücke besteht z.B. aus einer alten Autotür. Und die großen, eleganten, von der Decke hängenden Metall-Skulpturen aus zentnerschweren verrosteten Eisenplatten, Ketten und Kranhaken.
Kurator Sharp sieht in ihren wiederverwendeten Objekten "die Möglichkeit einer zweiten Chance. Eines neuen Lebens. Eines neuen Anfangs. Sie hat viele Objekte, die hier in der Ausstellung zu sehen sind, einfach gerettet. Von Riesendepots Autoteile oder Motoren gerettet und ihnen eine Würde zurückgegeben."
Kritik an der Überflussgesellschaft
Damit rückt die Bildhauerin unaufdringlich und spielerisch unsere Überflussgesellschaft in den Blick, übt mit ihren Skulpturen verrotteter Lebensmittel und dem Recycling von Fundstücken Kritik an unserem Konsum- und Wegwerfverhalten, an einer Verschwendung, die einhergeht mit Umweltzerstörung.
Und so ist es nur konsequent, dass in dieser ungewöhnlichen, vielschichtigen Ausstellung einige ihrer Plastiken wirken, als würde sich hier die Natur ihren Raum zurückerobern: In einem vier Meter hohen Gestell einer alten Satellitenschüssel hocken jedenfalls geradezu triumphierend an die hundert Papageien, die sehr entschlossen wirken, ihr neues Territorium mit lautem Geschrei zu verteidigen - auch, wenn sie nur aus Ton geformt sind.
Kathleen Ryan: Deutschland-Debüt in der Hamburger Kunsthalle
In der Galerie der Gegenwart werden zum ersten Mal in Deutschland 30 Skulpturen der US-Amerikanerin zu sehen sein.
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Hamburger Kunsthalle
Glockengießer Wall 5
20095 Hamburg - Preis:
- 16 Euro
- Öffnungszeiten:
- Di-So 10 bis 18 Uhr;
Do 10-21 Uhr;
Mo geschlossen