Hamburger Comicfestival: Jul Gordons Träume auf Papier
Auf St. Pauli zeigt die Zeichnerin Jul Gordon im Rahmen des Comicfestivals ihre Träume. "Der Frischkäse ist im 1. Stock" heißt ihr aktuelles Buch, in dem sie die Bilder der Nacht über fast 20 Monate hinweg dokumentiert.
"Das Comicfestival ist sehr wichtig für Hamburg," sagt Jul Gordon. "Das macht Hamburg zu einer Comic-Stadt - neben anderen Faktoren, z.B der Hochschule für Angewandte Wissenschaft, an der Anke Feuchtenberger lehrt. Durch das Comicfestival erfährt der Comic eine höhere Sichtbarkeit." 14 Ausstellungen sind bis zum Sonntagabend auf St. Pauli zu erleben. Eine von ihnen gibt Einblick in die aktuelle Arbeit von Jul Gordons "Der Frischkäse ist im 1. Stock" in der Galerie Hinterconti - unweit der Hafenstraße. Das Buch ist bei Edition Moderne in Zusammenarbeit mit dem Berliner Verlag Colorama erschienen.
Form und Inhalt müssen bei Jul Gordon passen
Die gebürtige Lüneburgerin hängt aber nicht nur einfach ihre Arbeiten an die Wände - diese bleiben leer. Sie hat sich etwas Besonderes für die Schau überlegt. In der Mitte des Raumes hat sie graue Stellwände platziert, die in sich verwoben sind. An ihnen hängen ihre Zeichnungen zum Buch: "Wenn man reinkommt, weiß man erst einmal gar nicht, was einen erwartet, weil man zwar den Eingang sieht, aber nicht den Ausgang."
In ihrem Buch geht es um Träume - ihre Träume. Festgehalten kurz nach dem Aufstehen in einem Zeitraum von April 2021 bis Anfang 2023. "Das ist schon etwas sehr Intimes und Offenes. Sie brauchten erstens einen geschützten Raum und außerdem habe ich mir auch überlegt, was denn jetzt zu diesem Thema und diesen Zeichnungen passen würde. Deswegen habe ich jetzt so eine Art Schlafzimmer konzipiert, mit Raufasertapete und einem Teppich. Anschließend habe ich diese Wände traumhaft verschoben." Der Inhalt und die Form müssen zusammengehen, das ist Jul Gordon wichtig.
Christian Lindner, Frischkäse und viele Wölfe
In ihrem Buch "Der Frischkäse ist im 1. Stock" dokumentiert sie ihre Träume. Dabei deutet oder analysiert sie diese nicht, sondern zeichnet sie so radikal und unmittelbar, wie sie sie gerade noch in Erinnerung hat. Wer da an eine Freudsche Aufarbeitung denkt, liegt allerdings falsch. Seit jeher ist sie ihren Träumen verbunden. "Träume sind die besseren Erzählerinnen, die wollen nix. Die wollen nichts darstellen, oder gut da stehen, wenn sie was erzählen. Sie machen einfach, was ihnen einfällt. Wenn ich ihnen demütig folge, anstatt etwas zu wollen, dann kommen dabei oft ziemlich lustige Sachen raus."
So kommt es vor, dass Claudia Schiffer auf Helge Schneider trifft, oder es nach einer Antisemitismusdebatte bei der documenta15 ein leckeres Thai-Curry mit Aubergine und Tofu gibt, oder sich Christian Lindner an der Börse für ein neues Anti-Abtreibungsgesetz einsetzt. Das alles erzählt Gordon schroff. Sie selbst beschreibt ihren Stil als "eine Mischung aus grob und fein". Hübsch sollen diese Zeichnungen nicht sein, findet sie. "Was mich wohl am meisten antreibt bei den Sachen, die ich mache, ist, dass da immer wieder so Sachen passieren, die ich total lustig finde. Bei denen ich dann auch so richtig lachen muss, wenn ich es nochmal lese." Und das passiert ständig, wenn man sich durch die Traum-Seiten blättert. Das ist teilweise absurd, skurril und schräg.
Vier Tage Comics, Gespräche und Entdeckungen
Bisher hatte Jul Gordon viele ihrer Arbeiten selbst oder bei kleineren Verlagen veröffentlicht. "Der Frischkäse" ist nun erstmals bei einem größeren Publisher erschienen, bei Edition Moderne aus der Schweiz in Zusammenarbeit mit Colorama aus Berlin: "Das ist ein positives Gefühl." Beim Comicfestival freut sich die Zeichnerin auf viele Begegnungen und Ausstellungen, am meisten aber auf die mit Anke Feuchtenberger, bei der sie von 2003 bis 2008 studiert hatte.
Neben Ausstellungen bietet das Festival in diesem Jahr auch wieder Führungen, Workshops, Signierstunden, Talks und Lesungen an - auch von Jul Gordon am Sonntag. Vier volle Tage für Comic- und Graphic Novel-Fans. Vier Tage, bei denen Stift, Papier und Tusche ganz neue Welten entstehen lassen.