Ein Man steht neben einem Design-Hocker. © Friedrich Gerlach

Design Graduates Show: Wie geht nachhaltiges Produktdesign?

Stand: 01.09.2023 11:12 Uhr

Die Vorstellungen von Produktdesign wandeln sich ständig. Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg bietet jetzt die seltene Gelegenheit zu entdecken, was herausragende Nachwuchs-Designer*innen aktuell umtreibt.

von Anette Schneider

"German Design Graduates Show 2023" heißt die Ausstellung, für die eine Fachjury aus Designer*innen aus hunderten Einsendungen von bundesdeutschen Hochschulen 47 Abschlussprojekte auswählte, die nun zu sehen sind. Die Ansprüche an Produktdesign - also von dem, was uns im Kleinen und im Großen umgibt - wandeln sich stetig - erst recht in Zeiten von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Damit ändern sich auch die Aufgaben und Anforderungen für Designerinnen und Designer.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt

Ausstellungsansicht "German Design Graduates Show 2023: Dare to Design" in Hamburg. © Henning Rogge, Hamburg
Je einen Meter Platz haben die Absolvent*innen, um ihr Projekt zu präsentieren.

Gezeigt wird beispielsweise ein Projekt zur Eindämmung von Weltraumschrott. Ein anderes verwandelt invasive Pflanzen in Färbestoffe, Papier und Sushi-Matten. Und ein extravaganter Hocker aus geschwungenen roten Keramikelementen entpuppt sich als Zauberwerk. "Das sind zerbrochene Ziegel, die mithilfe von Bakterien wieder zusammengefügt worden sind", erklärt Friedrich Gerlach. "Diese Bakterien schaffen das Ganze ohne einen Brennvorgang, was enorme Mengen an CO2 und Energie einspart." Friedrich Gerlach und Julia Huhnholz von der Bauhaus Universität Weimar scheinen die ultimative Lösung für Ressourcen schonendes Bauen und Produzieren entwickelt zu haben. Was bisher auf Labor-Experimente beschränkt war, faszinierte die beiden so sehr, dass sie begannen, selbst zu forschen und zu experimentieren.

Das Besondere sei, dass man viele Reststoffe benutzen könne, sagt Gerlach. "Wir nutzen jetzt Ziegelgranulat. Die Nährlösung, die die Bakterien verbrauchen, ist unter anderem Harnstoff. Dafür kann man auch menschlichen Urin nehmen, was Forscher in Südafrika gezeigt haben, mit denen wir auch zusammengearbeitet haben." Bakterien, die aus Müll, Abfall, Abrissschutt und x-beliebigen anderen alten Materialien neue produzieren, die fester sind als Beton - das klingt wie ein Traum.

Nachwuchs-Designer*innen stellen sich gesellschaftlicher, sozialer und ökologischer Verantwortung

Ansicht einer Community-Kochstelle mit autarker Energieproduktion. ©  Björn Naumann & Karl Anton Schinkel
Sieht aus wie eine einfache blaue Tonne, ist aber eine autarke Kochstation.

Je einen Meter Platz haben die 47 ausgewählten Absolvent*innen, um mit kurzen Texten, kleinen Produktmodellen oder Videofilmen ihre Projekte vorzustellen: Eine blaue Metalltonne entpuppt sich als eine autarke Kochstation, die aus Küchenabfällen Gas produziert. Ein mobiler Baby-Wickeltisch weist die Arbeit nicht mehr automatisch Frauen auf dem Damenklo zu. Und wurden Tennisbälle für Blinde bisher ausschließlich teuer in Japan produziert, entwickelte Paul Ickert von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin Bälle, "die sich mit einem 3-D-Drucker aus einem flexiblen Material herstellen lassen". Ickert erklärt weiter: "Dadurch, dass sie aus einem 3-D-Drucker kommen, können sie eben lokal und auch selber produziert werden."

Es ist beeindruckend, wie selbstverständlich die Nachwuchs-Designer*innen sich der gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Verantwortung ihrer Arbeit stellen. Genau das mache für sie heute auch "herausragendes" Design aus, erklärt Projektleiterin Katrin Krupka: "Wenn ich ein Produkt entwerfe, denke ich den ganzen Lebenszyklus mit. Ich überlege mir: Wo bekomme ich das Material her? Was passiert damit? Wie wird es benutzt? Wo geht es hin?" Gleichzeitig wird selbstverständlich fächerübergreifend gearbeitet. "Diese Grenzen zu anderen Bereichen verschwimmen immer mehr", so Krupka. "Die suchen nach: Wie kann ich in der Forschung aktiv werden? Wie kann ich in der Vermittlung aktiv werden? Wie kann ich eigentlich mit meinen Ideen und Fähigkeiten in der Zivilgesellschaft aktiv werden."

Eine nachhaltige, ökologische, sozial gerechte Welt ist möglich

Wie beispielsweise Anna Unterstab. Seit sieben Jahren wohnt die Absolventin der Hamburger Hochschule für Bildende Künste in Hamburg-Wilhelmsburg. Was sie dort schmerzlich vermisste, war ein sicherer, queer-feministischer Treffpunkt. Anstatt zu jammern, entwickelte sie das Konzept für eine queer-feministische Bibliothek, die letztes Jahr eröffnete. "Weil wir nur gemeinsam stark sein können. Es geht darum, dass wir uns besser kennenlernen in der Nachbarschaft", sagt Unterstab. "Weil Wilhelmsburg ja ein sehr diverser Stadtteil ist, aber trotzdem viele nebeneinander her leben. Und es ist sehr niedrigschwellig gedacht."

So wird bei der Entdeckungsreise durch diese vor Kreativität vibrierenden Ausstellung eines sehr schnell deutlich: Eine nachhaltige, ökologische, sozial gerechte Welt ist ohne Weiteres möglich. Man muss sie politisch nur wollen!

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Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zeigt jetzt, was herausragende Nachwuchs-Designer*innen aktuell umtreibt.

Datum:
Ende:
Ort:
Museum für Kunst und Gewerbe
Steintorplatz
20099  Hamburg
Preis:
Einzelticket: 14 Euro, ermäßigt: 8 Euro
Kartenverkauf:
https://tickets.mkg-hamburg.de/
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 01.09.2023 | 14:20 Uhr

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