Dreijähriger Maler ein Wunderkind? "Dem ist natürlich nicht so"
Der dreijährige Laurent sorgt mit seinen Bildern für Aufmerksamkeit. Was ist dran an dem "Mini-Picasso"? Der Hype ist dem "genialen Marketing" der Eltern zu verdanken, findet Kunstökonom Magnus Resch.
Seine Liebe zur Malerei hat der dreijährige Laurent Schwarz erst letztes Jahr entdeckt. Seine Mutter hat die Bilder auf einem eigens für ihn eingerichteten Instagram-Profil hochgeladen. Mittlerweile hat Laurent dort 75.000 Follower. Seine Werke verkaufen Laurens Eltern inzwischen für durchschnittlich fünfstellige Summen. Nun gab es sogar eine erste private Ausstellung in Laurents Heimatort Neubeuern in Bayern.
Was ist dran an dem Hype? Kunstökonom Magnus Resch sieht vor allem "brillantes Marketing". Der Wirtschaftswissenschaftler, unterrichtet an der Yale University Kunstmanagement und hat mehrere Bestseller zum Kunstmarkt geschrieben.
Herr Resch, wie viel kann man denn drauf geben, wenn da ein Dreijähriger als Wunderkind in der Kunst gehandelt wird?
Magnus Resch: Zunächst freut mich das natürlich, dass ein junges Kind und seine Familie Aufmerksamkeit mit der Kunst erzeugen und es gleichzeitig auch die Kunstleute fasziniert.
Ist "Wunderkind" ein passender Begriff im Falle der Kunst?
Resch: Ich glaube, Wunderkinder gibt es eher in anderen Bereichen, zum Beispiel im Sport. Wenn man sieht, dass ein dreijähriges Kind wahnsinnig gut Golf oder Tennis spielt, deutlich besser als die Altersgruppe. Bei Kunst ist es extrem schwierig, von "Wunderkind" zu sprechen, weil es keine objektiven Kriterien gibt, die definieren, was gute Kunst ist.
Wie erklären Sie sich dann, dass Menschen bereit sind, sechsstellige Summen für die Bilder eines Dreijährigen auszugeben? Geht es da überhaupt um Qualität, oder geht es da um etwas anderes?
Resch: Qualität gibt es in der Kunst nicht. Was ein gutes Kunstwerk heute ausmacht, sind nicht gewisse Kriterien, so wie das im Sport ist, sondern ausschließlich das Marketing. Wir haben eine Studie mit einer halben Million Künstlern gemacht, um herauszufinden, was ein Künstler finanziell erfolgreich macht, was diese Preise so hochtreibt - und es ist nie die Kunst, es ist nie die Ausbildung, es ist nie das Alter oder das Geschlecht, sondern es ist das Marketing des Künstlers, in welchen Netzwerken er vertreten ist.
Was machen die Eltern von Laurent da richtig?
Resch: Denen kann man gratulieren, weil sie es geschafft haben, mit der Kunst ihres Sohnes eine Marke aufzubauen. Es geht vor allem um einen Hype, um einen vermeintlichen frühzeitigen Kauf, um ein Investment, das in Zukunft noch viel höheren Ertrag widerspiegelt. Es geht auch um die Faszination, dass da ein Kind ist, was vielleicht Wunderfähigkeiten hat. Dem ist natürlich nicht so; das haben die Eltern sehr gut gemacht und das Marketing brillant beherrscht.
Sie sagen ganz klar, das sei kein Wunderkind, sondern ein Kind, das sich auf der Leinwand austobt. Gibt es denn vielleicht trotzdem etwas in dieser Spontaneität, in dem kindlichen Ausdruck, was vielleicht für den Kunstmarkt doch auch interessant sein könnte?
Resch: Für den Kunstmarkt ist es interessant zu zeigen, dass man auch ohne ein großes Galerie-Netzwerk eine Marke selber aufbauen kann und selber davon leben kann. Viele Künstler, die jetzt drüber lachen - auch der etablierte Kunstmarkt lacht darüber, dass ein Dreijähriger so hohe Preise erzielt -, können was davon lernen, nämlich dass es möglich ist, eigenständig durch smarte Instagram-Techniken eine Nachfrage zu schaffen und davon auch gut zu leben.
Spielt da auch die Tatsache eine Rolle, dass es jetzt eine Ausstellung mit Bildern von dem dreijährigen Laurent in Neubeuern, seinem Heimatort, gibt? Kriegt das Ganze dadurch auch noch mal einen professionelleren Anstrich?
Resch: Soweit ich das verstanden habe, ist die Ausstellung selbstorganisiert. Im Kunstmarkt gibt es 20.000 Galerien, wovon nur vier wirklich relevant für den Erfolg eines Künstlers sind. Deswegen empfehle ich vielen Künstlern, dass sie selber ihre Ausstellungen organisieren, also gar nicht erst versuchen, in Galerien zu kommen, sondern selber aktiv zu werden. Das bedeutet aber nicht, dass Galerien keine Relevanz haben. Galerien sind wichtig, um Künstler zu fördern, um sie auf dem Weg in den Markt zu begleiten. In diesem Fall ist es so, dass es im Kunstmarkt-Niemandsland stattfindet, aber es ist trotzdem schön, dass die Welt Neubeuern Aufmerksamkeit schenkt.
Sie sammeln selber auch Kunstwerke. Würden Sie jemals in die Kunst von Kindern investieren?
Resch: Ich habe da eine sehr einfache Strategie: Kunst ist kein gutes finanzielles Investment. 99,9 Prozent aller Kunstwerke haben keinen finanziellen Wert und steigen auch nicht im Wert. Ich bin seit 20 Jahren im Kunstmarkt aktiv. Ich weiß, wenn ich etwas kaufe, werde ich das Geld nicht wiedersehen. Deswegen kaufe ich nur das, was mir Spaß macht, wo ich den Künstler mag, die Story, den Galeristen, die Familie oder die Idee. So hat sich das für mich immer gerechnet - natürlich nicht finanziell, aber emotional. Das empfehle ich auch jedem, der sich die Werke des Kleinen anschaut: Wenn Ihnen das gefällt, dann kaufen Sie es, aber seien Sie sich bewusst, dass Sie das Geld wahrscheinlich nicht wiedersehen werden.
Gibt es denn überhaupt Beispiele für Künstlerinnen oder Künstler, die schon als Kinder für Aufmerksamkeit gesorgt haben und später einen großen Namen hatten?
Resch: Da fällt mir keiner ein. Es gibt 20 Künstler an der Spitze des Marktes, die 50 Prozent des kompletten Volumens des Marktes aufsaugen. Das ist ähnlich wie beim Tennis, wo es um die top drei Spieler geht, die die ganze Aufmerksamkeit bekommen. Diese 20 Künstler waren, soweit ich weiß, als Kinder noch nicht als Genies verschrien. Das kam dann später, weil sie es geschafft haben, smart über Marketingtechniken und über das Netzwerk zu den richtigen Galerien und in die Top-Museen zu kommen. Das etabliert langfristig Wert: in die richtigen großen Museen zu kommen und vertreten zu werden von den Top-Galerien. Und das passiert nur für eine kleine Anzahl von Künstlern.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.