Szene aus dem Film "Kleine schmutzige Briefe" © Studiocanal / Parisa Taghizadeh

"Kleine schmutzige Briefe": Wie ein Skandal vor 100 Jahren viral ging

Stand: 25.03.2024 06:00 Uhr

Vor gut 100 Jahren sorgten ein paar kleine Briefe in einer englischen Kleinstadt für einen großen Skandal im ganzen Land. Auf diesen wahren Ereignissen beruht der grandiose Film "Kleine schmutzige Briefe".

von Bettina Peulecke

Am Anfang des Filmes wird gewarnt: "Diese Geschichte ist wahrer, als man denken würde." Angesichts des historischen Settings mutet diese Behauptung zunächst etwas merkwürdig an. Am Ende allerdings werden die meisten Kinobesucher zustimmen. Denn es geht zwar um einen Skandal aus der Vergangenheit, aber Ähnlichkeiten mit der Gegenwart sind offenkundig: von skrupelloser Meinungsmache bis zur Vorverurteilung ohne Beweise.

Skandalöse Briefe sorgen für Schlagzeilen

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg zieht die Irin Rose mit ihrer kleinen Tochter von der grünen Insel in die englische Küstenstadt Littlehampton. Sie freundet sich mit ihrer ledigen Nachbarin Edith an, die noch bei ihren Eltern lebt. Die beiden haben nicht viel gemeinsam, die burschikose Rose nimmt kein Blatt vor den Mund und geht sehr offen mit Vergnügungen jeglicher Art um. Edith ist eine zugeknöpfte, sittsame Frau, die für jede Gelegenheit das passende Bibelzitat parat hat. Dann kommt es zum Bruch zwischen den beiden und Edith erhält plötzlich anonyme Briefe mit obszönem Inhalt, die ihr Vater zur örtlichen Polizeistation bringt. Der ebenso unterwürfige wie vor Neugierde platzende Constable nimmt das Beweisstück genüsslich in Augenschein:

"Verehrte Edith, du fuchsteufelsgeile Hure. Du gehörst in die Hölle. Und du bist außerdem ein stinkendes Miststück." Filmszene

Das "Miststück" genießt derweil die Aufmerksamkeit, die die Briefe entfachen. Denn natürlich ist allen klar, dass nur Rose, "die Neue", die Verfasserin sein kann. Zunächst nur eine Geschichte fürs Lokalblatt, erregt der Fall dann aber immer größeres Interesse und die kleinen schmutzige Briefe sorgen landesweit für Schlagzeilen.

Polizistin Moss ermittelt auf eigene Faust

Jeder Haushalt hat inzwischen eine Meinung dazu, ob Rose schuldig sei oder nicht. Sie kommt ins Gefängnis, und das Urteil steht so gut wie fest. Wäre da nicht die an Gerechtigkeit glaubende junge Polizistin Moss. Ihr Vater war ein geachteter Polizist - nur deshalb wird sie auf der Wache geduldet. Auch wenn ihr manchmal zum Heulen ist angesichts der überheblich-ignoranten Kollegen und der patriarchalen Strukturen, ermittelt sie auf eigene Faust und mit Hilfe anderer couragierter Frauen aus Littlehampton. Denn es sind eben doch nicht alle überzeugt davon, dass Rose die Briefe geschrieben hat und für etwas verurteilt werden soll, das sie nicht getan hat.

Anjana Vasan, Jessie Buckley und Olivia Colman verkörpern starke Frauenfiguren

Es sind gleich drei prägnante Frauenfiguren, die dem Film sein wunderbares Profil verleihen: die logisch denkende weibliche Polizeibeamte Moss, mitreißend gespielt von Anjana Vasan, die humorvolle, offenherzige Rose, verkörpert von Jessie Buckley, und die heuchlerisch-verklemmte Edith, dargestellt von Oscarpreisträgerin Olivia Colman. Letztere standen schon einmal gemeinsam in "Frau im Dunkeln" vor der Kamera, und das Zusammenspiel der beiden ist wieder großartig in dieser grandiosen, sehr englischen Mischung aus Komödie, Charakterstudie, Gesellschaftsporträt und Krimi.

Kleine schmutzige Briefe

Genre:
Komödie, Krimi
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
Vereinigtes Königreich
Zusatzinfo:
Mit Jessie Buckley, Olivia Colman, Anjana Vasan u.a.
Regie:
Thea Sharrock
Länge:
101 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
28. März 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 25.03.2024 | 07:10 Uhr

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