Film "Queer und muslimisch": Wie passt das zusammen?
Zum internationalen Tag gegen Homophobie hat das NDR Fernsehen den Film "Queer und muslimisch" gezeigt. Er porträtiert Menschen, die als queere Muslime jeweils einen ganz unterschiedlichen Weg gefunden haben. Der Film steht in der ARD Mediathek.
Ahmed liebt arabischen Pop aus den 90er-Jahren, Lateinamerika, indisches Essen, Kaffee - und Berlin, seine Heimatstadt. Dass er queer ist, hat er lange verdrängt. Aus Liebe zu seiner Familie. "Ich weiß noch, wie ich vor dem Spiegel stand", erinnert sich Ahmed. "Ich war alleine zu Hause. Und dann habe ich mich gefragt: Spürst du da eine Attraktion Männern gegenüber? Die du nicht wahrhaben möchtest? Und dann konnte ich mich schon nicht mehr anlügen."
Blick der Schwester: "Verboten, du machst was falsch!"
Ahmeds Vater kam aus dem Irak, seine Mutter aus dem Libanon. Berlin-Kreuzberg, mit Blick auf die Mauer - das war der Ort am Rand, wo die deutsche Gesellschaft die Migranten damals haben wollte, sagt er. Wenn er für seinen Vater übersetzte, der nicht gut Deutsch sprach, nahm er wahr, wie auf seinen Vater geblickt wurde.
Eine Erinnerung aus seiner Grundschulzeit ist ihm sehr im Gedächtnis geblieben: ein Stuhlkreis im Hort, beim Ganztagsunterricht. "Ich weiß nicht mehr, was wir da gemacht haben, aber plötzlich hat ein Mitschüler den Kopf auf meinen Schoß gelegt. Und ich war ganz liebevoll, bin durch seine Haare gegangen, habe so ein bisschen seinen Kopf massiert. Meine Schwester saß auch da, hat mich angeschaut und mir diesen typischen Blick gegeben: Verboten, du machst was falsch! Ich habe nicht verstanden, was ich gemacht habe, und habe einfach aufgehört. Sie hat dann meine Erzieherin angeschaut, und meine Erzieherin hat eine Geste gemacht wie: Naja, es ist halt so!"
Queerphobie in der Familie und im Umfeld vermittelt
Für Ahmed wird in diesem Moment klar: "Das scheint etwas Kulturelles zu sein, weil ich kenne das, dass etwas in der Gesellschaft draußen okay ist oder nicht okay und dass es Zuhause andersherum ist." Die Schimpfwörter waren deutlich. Die Queerphobie wurde durch bestimmte Männlichkeitsbilder und Geschlechterrollen in seiner Familie und in seinem Umfeld vermittelt.
"Mein erster Ansatz war immer: Ich liebe meine Familie, ich opfere mich selbst auf", erzählt der junge Mann. "Ich vergesse das einfach. Selbst wenn ich für immer depressiv bin: Mich wird die Liebe zur Familie nähren. Und das hat aber nicht lange funktioniert, weil ich gemerkt habe, dass ich die Liebe, die ich von meiner Familie ab dann bekam, nicht mehr reinlassen konnte." Bei seinem Coming Out musste er mit Anfeindungen aus seiner Familie leben, geriet selbst in eine Lebenskrise. Mittlerweile hat er für sich einen Weg zum Glauben gefunden.
"Queer und muslimisch": Zu sehen in der ARD Mediathek
Die Geschichte von Ahmed erzählt der Film "Queer und muslimisch" in der ARD Mediathek. Ein weiterer Protagonist ist Abbas, der aus dem Libanon stammt und jetzt in Hamburg lebt. Er hat sich vom Islam abgewendet. Auf die Frage "Queer und Muslim - wie geht das?" antwortet er: "Gar nicht." Jetzt genießt er in Hamburg seine neue Freiheit - und muss gleichzeitig befürchten, wieder in den Libanon abgeschoben zu werden.