İlker Çatak über "Das Lehrerzimmer" und das Drehen in Hamburg
İlker Çatak hat sein Drama "Das Lehrerzimmer" in Hamburg gedreht und produziert. Nun ist es für einen Oscar nominiert. NDR Kultur hat bei der Premiere des Films im Mai 2023 über das Drehen in Hamburg mit ihm gesprochen.
Hamburg hat eine neue Filmperle. "Das Lehrerzimmer" hat beim Deutschen Filmpreis die Lola in Gold als bester Film gewonnen - und ist seit dem 23. Januar in der Kategorie bester internationaler Film für einen Oscar nominiert.
İlker Çatak: "In Hamburg zu drehen ist immer ein Fest"
Der Film ist komplett in der Hansestadt gedreht, aber die Stadt ist als solche kaum zu erkennen - denn die Geschichte könnte überall spielen. "In Hamburg zu drehen ist immer ein Fest. Wir haben die ersten paar Drehtage in den Herbstferien am Albert-Schweitzer-Gymnasium gedreht. "Weil man den Film nicht in zwei Wochen dreht, sind wir dann aber in eine leer stehende Berufsschule in der Hebebrandstraße weitergezogen", erzählte Çatak. Für die Dreharbeiten hätte diese Schule sozusagen "wiederbelebt" werden müssen. Sein aktueller Film handelt davon, wie eine Lehrerin auf eigene Faust versucht, eine Reihe von Diebstählen an der Schule aufzuklären. Dabei entgleitet ihr jedoch ziemlich rasch die Kontrolle über die Situation.
Hauptdarstellerin Leonie Benesch ist in Hamburg geboren, war hier auf der Waldorfschule, ist aber schon vor vielen Jahren weggezogen. Sie spielt Carla Nowak, eine engagierte Lehrerin, die erst vor wenigen Monaten neu an die Schule gekommen ist und voller Elan Mathe und Sport unterrichtet. Die Rückkehr nach Hamburg hat Benesch viel Spaß gemacht, sie hat erneut sechs Wochen in der Stadt gelebt. "Das war total cool, weil die Wohnung, in der ich untergebracht war, war nicht weit von der meines Bruders entfernt lag." Bei der bewegenden Hamburger Premiere im Zeise-Kino war ihr Bruder mit dabei - und natürlich auch die ganzen Kinder, die Carla Nowaks Schulklasse im Film spielen.
İlker Çatak: "Es war inspirierend, mit diesen Kindern zu arbeiten"
Der Regisseur schwärmt von den Dreharbeiten. "Das sind ganz, ganz tolle Kinder! Obwohl, Kinder sind das ja gar nicht mehr, das sind junge Erwachsene. Es war einfach eine Riesenfreude mit denen arbeiten zu dürfen. Die sind so klug. Das war sehr inspirierend, mit denen zu arbeiten!"
İlker Çatak hat mit seinem Drama einen klugen Kommentar geschaffen. Die Diebstähle an der Schule sind nur ein Symptom für das allgemeine Klima von Misstrauen und vorschnellen Urteilen in der Gesellschaft. "Es ist ein Film über Schule, über Bildung, über Idealismus, über Rassismus, darüber, wie wir streiten, wie wir uns solidarisieren und erheben gegen Willkür." Im Drama ginge es "um unsere derzeitige Debattenkultur. Darum, wie wir Wahrheit suchen, sie für uns beanspruchen und sie für uns auch passend machen. Und in dem Plot geht halt es um eine junge idealistische Lehrerin, die in ein neues Kollegium kommt und dann unter die Räder des Systems gerät."
Manches hat der Filmemacher selbst erlebt. Das erzählt der Co-Drehbuchautor Johannes Duncker bei der Hamburg-Premiere, der mit Çatak zur Schule gegangen ist. "Er hat mich an etwas erinnert, was ich selber schon vergessen hatte. Nämlich, dass wir in der Schule auch gefilzt wurden in der Klasse. Ganz ähnlich, wie es auch im Film ist, kamen die Lehrer auch bei uns in die Klasse und haben gesagt, 'Portemonnaies raus', weil eben zwei unserer Mitschüler auch geklaut haben." Das packende Drama ist bei der Berlinale 2023 nach der Weltpremiere international gefeiert worden. Als einziger deutscher Film des Festivals wurde er von einem großen Verleih in den USA gekauft und läuft bald in Frankreich an.
Studentenoscar mit Abschlussfilm "Sadakat" erhalten
İlker Çatak hat schon einen "Borowski-Tatort" für den Norddeutschen Rundfunk und bereits häufiger an der Elbe gedreht: etwa "Es war einmal Indianerland" mit Leonard Scheicher und das packende Liebesdrama "Es gilt das gesprochene Wort" mit Anne Ratte Polle. Mit seinem Abschlussfilm "Sadakat" von der Hamburg Media School gewann er 2015 den "Studierenden-Oscar" in Gold. Seit 2024 führt ihn das Hollywood-Fachblatt "Variety" auf der renommierten Liste "10 directors to watch", also, den zehn spannendsten und interessantesten Regisseur*innen, deren Filme man unbedingt auf der Reihe haben sollte.
"Gelbe Briefe" - Neuer Film von İlker Çatak wird in Hamburg gedreht
Das nächste Projekt des Filmemachers und Drehbuchautors soll auch ab Mai 2024 in Hamburg gedreht werden - so steht es bei der Filmförderung Moin, die die neue Produktion mit 450.000 Euro fördert. Sein Titel "Gelbe Briefe". Das Buch stammt vom Regisseur selbst mit Ayda Çatak und Enis Köstepenn.
Darin erlebt das Künstlerehepaar Derya und Aziz die Willkür des türkischen Staates und verliert über Nacht seine Arbeit und damit seine Lebensgrundlage. Die Abwägung zwischen ihren Idealen und den Lebensnotwendigkeiten erweist sich als Herausforderung für ihre Ehe. Für das Drama sind 21 Drehtage in Hamburg geplant.