Filmfest Emden-Norderney mit vielen starken Frauen im Mittelpunkt
Wer sich für neue Filme aus Deutschland und Nordwesteuropa interessiert, ist beim Internationalen Filmfest Emden-Norderney richtig. Zum 33. Mal findet es statt, 67 lange und kurze Filme stehen auf dem Programm, viele übrigens von Frauen gemacht oder mit starken Frauen im Mittelpunkt.
Zur Eröffnung am Mittwochabend gab es die Deutschlandpremiere eines Films aus Frankreich. "Divertimento" beruht auf einer wahren Geschichte. An ihren ersten Aufenthalt beim Filmfest und an das zugewandte Emder Publikum erinnert sich Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar gerne zurück. 2014 bekam sie den DGB-Filmpreis, für "Die Schüler der Madame Anne". Wie die jugendlichen Protagonisten damals, stammt auch die Hauptfigur des neuen Films aus der Vorstadt und aus einfachen Verhältnissen.
Deutschlandpremiere "Divertimento": Worum geht's?
Zahia, deren Eltern aus Algerien nach Frankreich eingewandert sind, hat seit ihrer Kindheit einen Traum: Sie will Dirigentin werden, doch sie wird nicht ernstgenommen. Die blasierten Mitschüler am Konservatorium lassen sie ihre Herkunft spüren und selbst der von ihr verehrte Maestro, der bekannte rumänische Dirigent Sergiu Celibidache, hat Zweifel. Dirigieren, das sei nichts für Frauen, meint der Maestro, weil sie kein Durchhaltevermögen hätten. Aber Zahia belehrt ihn eines Besseren. Gegen alle Widerstände setzt sie sich durch. Und gründet, mit ihrer Zwillingsschwester Fettouma, das Orchester Divertimento. Solche Geschichten erzählt sie gern. Geschichten voller Hoffnung und Inspiration, sagt Marie-Castille Mention-Schaar. "Divertimento" ist beim Emder Filmfest für den Bernhard-Wicki-Preis nominiert und startet schon am kommenden Donnerstag in den deutschen Kinos.
Film "Elaha" stellt junge Frau in den Mittelpunkt
Auch "Elaha", der Hochschulabschlussfilm der in Armenien aufgewachsenen Milena Aboyan, stellt eine junge Frau in den Mittelpunkt, die versucht, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Titelfigur, eine 22-jährige Deutsch-Kurdin, steht wenige Wochen vor ihrer Hochzeit und hat ein Problem. Sie ist keine Jungfrau mehr. Das darf nicht rauskommen, denn ihr Zukünftiger hält sich, wie alle in ihrer Umgebung, an die patriarchalischen Traditionen.
Frau: Heiratest du mich, weil du mich liebst oder liebst du mich, weil du mich heiratest? Verlobter: Ich heirate dich, weil du ein treues, hübsches, liebes, anständiges, ehrliches Mädchen bist. Frau: Was ist, wenn ich kein Mädchen bin, die immer treu, anständig und ehrlich sein kann? Verlobter: Du meinst, eine Schlampe? Filmzitat
Wut hat sie angetrieben, diese Geschichte zu erzählen, sagt Milena Aboyan, die gemeinsam mit Constantin Hatz das Drehbuch geschrieben hat. "Es geht darum, dass schon seit Jahrhunderten der Körper der Frau unter Bewertung steht. Und Jungfräulichkeit ist ein sehr spezifisches Problem. Frauen, die Reinheit beweisen müssen, das ist absurd, allein schon der Gedanke. Reinheit, was bedeutet das überhaupt?" Es bedeutet für die jungen Männer im Film und ohne, dass sie es aussprechen würden, wohl auch für die Elterngeneration, dass die Jungs sich schonmal ausprobieren und austoben dürfen, die Mädchen aber fast schon als Schlampe gelten, wenn sie einfach nur tanzen gehen. Milena Aboyan sagt dazu: "Dennoch sag' ich, dass auch viele Männer unter diesem Patriarchat leiden, oder gefangen sind. Auch Männer müssen ein bestimmtes Männerbild repräsentieren, sonst sind sie nicht stark genug, nicht Mann genug."
Regisseurin Milena Aboyan bekommt Integrationspreis
"Elaha" läuft im Wettbewerb um den DGB-Filmpreis und den NDR Preis für den Nachwuchs. Und Donnerstagabend wird Regisseurin Milena Aboyan mit dem Integrationspreis der Insel Norderney ausgezeichnet. "Es ist was Tolles. Integration bedeutet auf beiden Seiten, eine Integration zu schaffen, und wir haben ja bewusst in dem Film auch Spieler*innen und Teammitglieder besetzt oder engagiert, die in der Film und Fernsehlandschaft unterbesetzt sind. Das würden wir auch so weitermachen und mit so einem Preis bestärkt uns das eher."
Das Internationale Filmfest Emden-Norderney geht bis zum kommenden Mittwoch, die Preise in den Wettbewerben und der Schauspielpreis an Moritz Bleibtreu werden am Sonntag vergeben.