Peter Simonischek ist tot: Ehrliche Haut statt großer Versteller
Als Toni Erdmann in Maren Ades gleichnamiger Komödie wurde er weltbekannt. Den "Jedermann" in Salzburg hat er länger gespielt als jeder andere. Nun ist der österreichische Schauspieler Peter Simonischek im Alter von 76 Jahren gestorben, wie NDR Kultur aus seinem unmittelbaren Umfeld erfahren hat.
Wer über Peter Simonischek spricht, muss über Zähne sprechen. Als Toni Erdmann mit Fusselperücke und furchterregendem Gebiss wurde Simonischek 2016 weltbekannt. Das Bild des Schauspielers mit dem schiefen Gebiss prägt sich ein - und wird umso lustiger, wenn man weiß, dass Peter Simonischek Sohn eines Zahnarztes ist.
Die schiefen Zähne "standen im Buch, und als ich das gelesen habe, dachte ich: Das ist ein Riesenzufall!", verriet Peter Simonischek einmal im Gespräch mit dem NDR. Der mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete und für die Oscars nominierte Film erzählt die Geschichte einer überspannten Business-Frau und ihres Vaters. Um seine Tochter aus ihrem engen Arbeitskorsett zu befreien, verwandelt der Vater sich in den schrägen Toni Erdmann.
Peter Simonischek: Ein Gigant auf der Theaterbühne
Peter Simonischek war aber nicht nur ein Filmstar, sondern vor allem ein Gigant auf der Bühne. Mehr als 20 Jahre war er festes Mitglied im Ensemble des Wiener Burgtheaters, zuvor schon lange Jahre an der Berliner Schaubühne. Mit seinen schlohweißen Haaren gilt er als Paradebesetzung von Patriarchen und Vaterfiguren. Peter Simonischek spielt sie nicht, er verkörpert sie. Den "Jedermann" in Salzburg hat er acht Jahre lang gespielt - länger als jeder andere. Simonischek war stolz darauf, es auf genau 100 Vorstellungen gebracht zu haben (inklusive Generalproben). "Das macht einfach Freude", sagte Simonischek. "Es ist vielleicht nicht eine so große künstlerische Herausforderung wie der Prospero oder Hiob, aber es hält sich die künstlerische und die sportliche Herausforderung die Waage: Es ist immens anstrengend."
Simonischek war ein "melancholischer Komiker"
Joachim Lux, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, hat am Burgtheater mehrmals mit ihm zusammengearbeitet. "Für mich war er immer ein melancholischer Komiker gewesen", sagt der Intendant. "Er hat in unserer Burgtheater-Zeit in dem Stück "Die Zeit der Plancks" einen Sterbenden gespielt, der seine Töchter wie König Lear um sich versammelt hat. Dort hat er der Situation der eigenen Vergänglichkeit die Komik abgerungen. Die Komik ist etwas, das den Tod transzendiert, zugunsten von einem Humor, der größer ist als unser Leben."
Simonischek ging heimlich zur Schauspielschule
Als Kind in der Ost-Steiermark war Simonischek Messdiener - das passt irgendwie: "Ich wollte da einfach einen Auftritt haben, und der Oberministrant war in dem Sinne mein erster Regisseur. Ich habe es irgendwie genossen, wenn man das Gefühl hatte, da gucken ganz viele Leute zu", erinnerte er sich. Auf Druck des Vaters sollte er Zahntechniker werden. Aber mit 16 sah er den großen Helmut Lohner als Hamlet. "Da war ich so aufgeregt, als ich rausging. Ich war außer mit vor Begeisterung. Ich dachte, das ist es!" Heimlich besuchte er die Schauspielschule in Graz.
Simonischecks Spiel ist kein "Verstellen"
Danach begann Simonischeks Karriere. Ab 1979 spielte er bei Peter Stein an der legendären Schaubühne in Berlin - war dort bis 1999. Anschließend ging er nach Wien, ans Burgtheater, wo er heute Ehrenmitglied ist und Rollen wie den Hiob spielt.
Peter Simonischek bewunderte Kollegen wie Lars Eidinger und Gert Voss, er nannte sie "große Versteller". Er selbst? Er ist einfach. Manchmal leise lächelnd, manchmal aufbrausend, mal zorniger Patriarch mit grauer Mähne, mal eleganter Grandseigneur, mal herzerwärmender Clown. Einnehmend, durchlässig, pur. Den Jedermann in Salzburg hat er länger gespielt als jeder andere, ganze acht Jahre lang. Simonischek meinte, Schauspiel habe auch ein bisschen mit Lüge zu tun: "Ein Schauspieler ist natürlich ein Lügner im Dienst der Wahrheit, es gibt in der Lüge eine Wahrhaftigkeit". Wobei Lüge viel zu hässlich klinge. Die Liebe muss fließen beim Spielen, sagte er freimütig. Und das Publikum liebte ihn zurück.
"Der vermessene Mensch": Simonischeks letzte Filmrolle
Viele kennen ihn aus Filmen wie "Die Welt der Wunderlichs". In "Crescendo" von 2019 spielte er einen Dirigenten, der ein Orchester mit israelischen und palästinensischen Musikern und Musikerinnen zusammenstellt. Man glaubte ihm jeden Ton. Noch in diesem Jahr war Peter Simonischek als Schauspieler aktiv. Im Februar stellte er auf der Berlinale gemeinsam mit Lars Kraume den Film "Der vermessene Mensch" vor, in dem er eine Nebenrolle spielt.
Europäischer Filmpreis: Dankesgesang statt Dankesrede
Peter Simonischek war ein Publikumsliebling - egal ob auf der Bühne oder im Film. Als er 2016 mit dem Europäischen Filmpreis als bester Schauspieler für seinen "Toni Erdmann" gekürt wird, lacht er und dankt vor allem seiner Regisseurin Maren Ade im Publikum, dass sie ihm die Rolle auf den Leib geschrieben habe. Er verrät, dass er keine Dankesrede geschrieben hat. Bei vorherigen Nominierungen war er mit vorbereiteter Rede stets leer ausgegangen. Schließlich stimmt er einen schrägen Dankesgesang an und erobert die Herzen im Flug. Nun ist Peter Simonischek im Alter von 76 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben.