Axel Milberg über den neuen Tatort "Borowski und die große Wut"
Im neuen Tatort "Borowski und die große Wut" ermittelt Kommissar Klaus Borowski aus dem Krankenbett. Im Interview spricht Axel Milberg über Feingefühl, Familie und Verletzbarkeit.
Borowski liegt schwer angeschlagen im Krankenhaus, so dass ihm nichts anderes übrigbleibt, als über seine Telefonate mit der vermeidlichen Täterin der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Waren Sie auf Anhieb von dieser sehr reduzierten Art der Ermittlungen überzeugt?
Axel Milberg: Es gab eine gemeinsame Idee, wir wollten eine Herausforderung für uns alle, einen bedrohlichen Fall nur am Telefon zu erleben und zu lösen. Die Stimmen, der Zorn, die Gefahr, die Aussichtslosigkeit, die Überraschungen.
Bei seinen Gesprächen mit Celina ist Borowskis psychologisches Feingefühl gefragt. Ist das eine seiner stärksten Eigenschaften?
Milberg: Naja, genau zuhören ist schon entscheidend, nicht nur was gesagt wird, sondern auch wie. Und dann muss er es ja schaffen, dass sie wieder anruft. Dass das Gespräch nicht abreißt, dass er überhaupt helfen darf. Manchmal scheint diese Verbindung abzureißen. Ist sein Interesse professionell oder persönlich? Sicher beides.
Warum identifiziert er sich stärker als bei anderen Fällen mit der vermeintlichen Täterin?
Milberg: Ich weiß gar nicht, ob er sich hier mehr reinhängt. Klar, eine Familientragödie deutet sich an, ein junges Mädchen mit einer kleinen Schwester, das klingt eher nach Hilfeschrei als nach zynischem Berufskiller. Und dass sie ihm vertraut, sind kleine Schritte, die sie gehen, dennoch verrechnet Klaus Borowski sich immer wieder.
Nach und nach scheint sich Borowski daran zu erinnern, was ihm widerfahren ist. Aber kann man seinen Erinnerungen trauen? Warum sind sie oft trügerisch?
Milberg: Diese Amnesie lässt nur Temperatur, Farben, Gerüche aufflackern, kein Bild, keinen Ort, keine Handlung. Das baut er erst am Ende zusammen, wir schauen ihm dabei zu.
Wir erleben einen Borowski, der Schwäche und Verletzbarkeit zeigt. Können Sie diese Seite von ihm überhaupt akzeptieren?
Milberg: Ich hatte zu Drehbeginn einen üblen Hexenschuss, konnte nur kriechen und wurde am ersten Drehtag vorsichtig vor der Klinik abgelegt, bewusstlos, wie das Drehbuch eben beginnt. Das hilft mir, dachte ich sofort, dieser Schwäche intensiv nachzuspüren, in allen Details des Bewegens, der Ausdruckslosigkeit. Nach fünf Wochen Dreharbeiten kam ich dann wirklich wie aus einer Klinik wieder ans Licht des norddeutschen Frühsommers.
Da der Titel "Borowski und die große Wut" heißt - was macht Sie eigentlich besonders wütend?
Milberg: Vieles macht mich wütend. Am meisten bei Hilflosigkeit. Ansonsten: bei Arroganz, Besitzgier, fehlender Empathie, wenn einer mit seinem blöden Auto einfach zwei Parkplätze beansprucht, das ist eigentlich das Schlimmste.
In seinem Krankenzimmer taucht plötzlich die geheimnisvolle Maren auf. Was fasziniert Borowski an ihr?
Milberg: Sie ist ein Geschenk. Irgendwie ist sie cool, eigen, einen Schritt weiter als er, glaubt er zu erkennen. Und dann singt sie für ihn. Er lässt es geschehen. So schnell ist eine Parallelwelt im Krankenhaus entstanden, dass alles wie ein Traum ist, ein Weg ins Licht. Ans Licht. Flucht mit ihr im offenen Wagen. Unwahrscheinlich, wie lange wird das halten? Und sie bringt ihn dorthin zurück, wo alles seinen Anfang nahm, das Verbrechen also geschah, aber auch ein Hinweis versteckt ist, den Borowski am Ende brauchen wird.
Der Tatort erzählt von einem Mädchen, dem Gewalt und Missbrauch widerfahren ist. Warum kann Familie eigentlich zu so einem gefährlichen Ort werden, wo die schlimmsten Verletzungen stattfinden?
Milberg: Weil in einer so abgezirkelten Welt der Familie, die Zustände so unauffällig verrutschen können, man ist halt beieinander oder kennt es nur so, verrät nichts nach außen. Frust, Alkohol, wer steht denn da im Wege oder ist verfügbar? Da dringt oft nix nach außen, erst wenn's scheppert.
Der "Tatort: Borowski und die große Wut" ist eine Produktion der Nordfilm GmbH im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für Das Erste, gefördert von der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.