Szene aus dem Film "Auf dem Weg" © X Verleih

Filmtipp "Auf dem Weg": Eine Wanderung als Selbstfindung

Stand: 05.12.2023 11:20 Uhr

Das Buch "Auf versunkenen Wegen" schildert eine Wanderung des französischen Reiseschriftstellers Sylvain Tesson quer durch Frankreich. Der Reisebericht wurde mit Oscarpreisträger Jean Dujardin verfilmt und läuft im Kino.

von Bettina Peulecke

Statt in eine Reha-Klinik zu gehen, wie es die Ärzte anordnen, verschreibt sich der Abenteurer und erfolgreiche Schriftsteller Pierre selbst eine ziemlich gewagte Therapie. Der Lebemann mit ausgeprägter Neigung zu Exzessen ist nämlich eines Nachts vom Balkon gestürzt und auf der Intensivstation gelandet. Monate später gibt es für ihn im wahrsten Sinne des Wortes nur einen "Ausweg“: Wandern auf alten Pfaden und verborgenen Wegen, von den südlichen Alpen über das Zentralmassiv bis zu den sturmumtosten Klippen von La Hague. Darüber will er schreiben, aber sein Verleger ist gar nicht begeistert:

"Pierre, das ist der Wahnsinn, ich meine das ist dir doch klar, oder? Du bist immer noch nicht fit, du läufst auf Krücken. Heute bist du nicht durchs Fenster gekommen, sondern du bist mit dem Fahrstuhl gefahren."
"Wenn ich das nicht mache, drehe ich hier durch." Filmszene

Der Weg zurück ins Leben

Dass Pierre auf ärztlichen oder freundschaftlichen Rat pfeift, ist typisch, und natürlich geht es bei der geplanten Wanderung nicht nur um die körperliche Gesundung. Der Mann will den Weg zurück ins Leben finden:

"Acht Meter reichten aus, um mir die Rippen, die Wirbel und den Schädel zu brechen. Ich bin auf einen Haufen Knochen gefallen. Diesen Sturz bereue ich noch lange. Denn bis dahin war mein Körper eine Maschine, die es mir erlaubt hatte, auf der Überholspur zu leben. Acht Meter reichten, um 50 Jahre zu altern. Aber ich konnte meine Beine wieder in Bewegung setzen. Die Verzweiflung war verflogen. Das Wichtigste hatte ich zurück bekommen: das Recht abzuhauen." Filmszene

Dass er das sein Leben lang getan hat, ohne Rücksicht auf seine Liebsten, immer alles mitgenommen hat und dabei vieles auf der Strecke geblieben ist, wird Pierre auch klar, als seine Schwester ihn ein kurzes Stück seines Weges begleitet und offenbart, wie sehr sich seine Familie immer um ihn gesorgt hat.

Facettenreiche Darstellung von Jean Dujardin

Der Roadtrip per pedes als Selbstfindungssuche nach lebensgefährlichen Ereignissen, Unfällen, Drogenabhängigkeit oder spiritueller Sinnlosigkeit - man kennt das Thema aus Filmen wie "Der große Trip - Wild" oder "My Way".

Schön sind in diesem Fall nicht nur die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen der durchwanderten Gegend, sondern auch die undramatisch dargestellte, aber dramaturgisch gut durchdachte Komplexität des Protagonisten. Pierre ist ein einsamer, egoistischer Held, ein kompromissloser Abenteurer und ein Verlorener, der sich selbst wieder finden muss. Jean Dujardin spielt diesen mal mehr, mal weniger sympathischen Typen facettenreich und klug und verleiht dem Film die nötige Tiefe, die er braucht, um nicht im dunklen Tal der vor sich hin schlurfenden Der-Weg-ist-das-Ziel-Streifen zu enden.

Auf dem Weg

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
Frankreich
Zusatzinfo:
Mit Jean Dujardin, Joséphine Japy, Izïa Higelin u.a.
Regie:
Denis Imbert
Länge:
94 Minuten
FSK:
ab 6 Jahren
Kinostart:
30. November

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Filme | 27.11.2023 | 07:50 Uhr

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