Die tägliche Angst von Asylbewerbern
Seit Juni 2013 lebt Larisa mit ihrer Familie in Tespe, einem kleinen Ort bei Harburg in Niedersachsen. Deutschland ist für die Familie die Hoffnung auf Schutz und Sicherheit. Denn in ihrem Heimatland Tschetschenien mussten sie um ihr Leben bangen. Der Vater ist dort verschollen, niemand weiß ob er noch lebt. Die Mutter sah keinen anderen Ausweg, als mit Larisa und ihren fünf Brüdern zu fliehen. Jetzt hoffen sie auf Asyl. Doch die Freude über die Ankunft in Deutschland wird schnell überschattet. Ihre Hoffnungen und Erwartungen prallen auf Ängste und Vorurteile verunsicherter Anwohner. Es scheint, als wolle sie eigentlich niemand haben im Ort, erzählt Larisa: "Meine Mutter hat das nicht ausgehalten, weil schlimme Sachen gesagt wurden. Sie musste weinen und ist zusammengebrochen."
Ablehnung statt Willkommenskultur
Neben der ständigen Sorge, ob sie in Deutschland bleiben dürfen oder nicht, muss die Familie mit der Ablehnung ihrer Mitmenschen klarkommen. Für die Mutter ist der Druck zu groß, sie wird psychisch krank und wird in eine Klinik eingeliefert. Larisa ist mit ihren 22 Jahren nun allein für ihre fünf Brüder verantwortlich: "Wir haben immer Angst, abgeschoben zu werden. Meine kleinen Brüder wissen nichts Genaues. Sie ahnen nur, dass etwas nicht stimmt. Wie es mit uns weitergeht, ist völlig offen. Jeden Morgen stehen wir auf und wissen nicht, was kommt. Wenn ein Auto vorbeifährt oder ein Brief ankommt, haben wir jedes Mal Herzklopfen. Es gibt Tage, an denen haben wir nur Angst."
Ein Blick auf die Sorgen und Nöte der Asylbewerber
Doch ist gibt auch Menschen, die helfen. Die 80-jährige Ingeborg Neupert besucht die Kinder regelmäßig, übt Deutsch mit ihnen und versucht zu unterstützen, wo sie kann: "Ich denke, dass viele Menschen das ablehnen, ohne überhaupt über Flüchtlinge nachzudenken. Es ist erst mal lästig, aber wenn Du dann jemanden so kennenlernst wie diese Familie, dann ist nichts mehr mit wegschieben."
Der Blick auf die Sorgen und Nöte der Asylbewerber ist ein nur kleiner Ausschnitt unserer Gegenwart. Im vergangenen Jahr kamen rund 200.000 Asylbewerber nach Deutschland. Doch einmal angekommen sind sie konfrontiert mit misstrauischen und verunsicherten Anwohnern. Was passiert, wenn Menschen aufeinandertreffen, die sich fremd sind? Wenn Asylbewerber in der Nachbarschaft einziehen? Diese Fragen stellt der Dokumentarfilm "Willkommen auf Deutsch", aus dem Panorama 3 einen Ausschnitt sendet. Die lange Dokumentation betrachtet nicht nur das Schicksal der tschetschenischen Familie, sondern beschreibt auch die Sorgen und Ängste der deutschen Nachbarn. Während grundsätzliche Einigkeit darüber herrscht, dass man Flüchtlingen helfen müsse, regt sich oft Widerstand, wenn diese Hilfe vor der eigenen Haustür erfolgen soll. Viele Anwohner fürchten um den Verkaufswert ihrer Eigenheime oder sorgen sich um die Sicherheit ihrer eigenen Familien.
Nachhaltiger Wandel in der Flüchtlingspolitik
Auch die zuständige Behörde, die die Flüchtlinge versorgen und unterbringen muss, steht vor einer großen Herausforderung. Der Leiter des Fachbereichs Soziales im Landkreis Harburg kämpft täglich gegen Widerstände und wirbt um Verständnis und Unterstützung der Anwohner.
Über ein Jahr lang begleiteten die Autoren Hauke Wendler und Carsten Rau Flüchtlinge, Anwohner und den Bereichsleiter der Landkreisverwaltung in Harburg. In ihrem Film hinterfragen sie, wie es zu einem nachhaltigen Wandel in der Flüchtlingspolitik kommen kann und wie eine Willkommenskultur gestaltet werden sollte.
Der Dokumentarfilm wurde vom NDR mit produziert und läuft ab Donnerstag, 12.3.2015 im Kino.