Deutscher Filmpreis in der Kritik: Die Geschichte der Vergabe
Bei der letzten Vergabe des Deutsche Filmpreises wurden knapp drei Millionen Fördergelder unter den Nominierten ausgeschüttet. Wie läuft das Auswahlverfahren, das lange in der Kritik ist?
Am Potsdamer Platz in Berlin gab sich die deutsche Filmszene ein öffentlichkeitswirksames Stelldichein. Es geht immerhin um die international anerkannteste Auszeichnung für den deutschen Film. Noch. Gerade so. Das Auswahlverfahren für die Preisvergabe wird seit Jahren immer wieder kritisiert, umgestellt, angepasst - aber in den vergangenen Wochen sind die Stimmen sehr laut geworden, die solche Regelanpassungen nur als Makulatur empfinden.
Christian Petzolds Film "Roter Himmel" - wurde auf der Berlinale mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet - hat es beim Deutschen Filmpreis aber nicht einmal in die Vorauswahl geschafft. Die unter Erklärungsdruck stehende Deutsche Filmakademie hat bereits Änderungen angekündigt. Nicht zuletzt geht es auch um viel Geld. Versuch einer Einordnung des Filmpreis-Dramas.
Deutscher Filmpreis wurde 1951 als Bundesfilmpreis vergeben
Der Deutsche Filmpreis - damals noch "Bundesfilmpreis" - wurde 1951 während der allerersten Berlinale erstmals vergeben:
Die Berliner Waldbühne, Deutschlands größtes Freilichttheater, erlebte große Tage, 20 Nationen zeigten hier ihre Spitzenfilme. Die Filmlieblinge zeigten sich auf dem Kurfürstendamm (…) Für das doppelte Lottchen konnte der Drehbuchautor Erich Kästner den Preis entgegen nehmen. Zitat aus der "Wochenschau" von 1951
Regisseure und Regisseurinnen wie Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotha und Roman Polanski wurden in den Folgejahren für ihre Arbeiten ausgezeichnet. International prämierte Filme wie "Der Name der Rose", "Schtonk!" oder "Gegen die Wand" haben den Hauptpreis gewonnen.
Seit 1999 neues Verfahren und neuer Name: Die Lolas
Seit 1999 verleiht offiziell der oder die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die Trophäe mit dem neuen Namen Lola. Eine Reminiszenz an Marlene Dietrichs Rolle in "Der Blaue Engel". Die "staatliche Großzügigkeit" ist jedoch geblieben, genauso wie die immer wiederkehrende Kritik an Vergabeprozess und Ausrichtung.
Immerhin das viel kritisierte "Proporz-Verfahren" - also ein Wahlsystem, in dem alle Stimmen anteilig zum Tragen kommen - wurde 2001 abgeschafft. Denn es mag zwar gerecht klingen, in der Politik vielleicht sinnvoll sein, aber auch bei der Bewertung von Filmen?
Damit Qualität mit Expertise und nicht nach Mehrheiten bewertet wird, wurde 2003 die Deutsche Filmakademie e.V. gegründet. "Unabhängig", wie es in den Statuten des Vereins heißt: "Die Deutsche Filmakademie ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein, der sich aus über 2.200 Mitgliedern aller künstlerischen Gewerke des Filmschaffens sowie Ehrenmitgliedern und Fördermitgliedern zusammensetzt."
Fördergelder von knapp drei Millionen Euro bei den Lolas
So weit, so unkonkret. Denn: "Mitglied kann man nur auf Einladung vom Vorstand der Deutschen Filmakademie werden. Die Vorschläge kommen aus der bestehenden Mitgliedschaft." Wie jedem Verein sei auch diesem eine gewisse "Vereinsmeierei" zugestanden. Doch die Deutsche Filmakademie e.V. verteilt derzeit mit der Filmpreisvergabe staatliche Fördergelder in Höhe von knapp drei Millionen Euro. Die Statuten lauten: "Die Mitglieder der Deutschen Filmakademie sind, entsprechend ihrer Sektionszughörigkeit, nur in bestimmten Kategorien stimmberechtigt. So werden die Nominierungen in der Kategorie Schaupiel einzig durch die Akademiemitglieder der Schauspielsektion bestimmt."
In der Realität heißt das: Auftragnehmer bewerten ihre Auftraggeber, so Filmkritikerin Nicodemus im Interview mit NDR Kultur: "Natürlich beschäftigen die großen Filmfirmen mehr von diesen 2.200 Mitgliedern als zum Beispiel eine kleine Firma - und da stimme ich doch als Mitglied eher für meinen Brotgeber ab oder für den großen Film, an dem ich beteiligt war. Ich will ja weiter Aufträge kriegen als Akademiemitglied, als Schauspieler."
In der Konsequenz kommt ein international Aufsehen erregender Film, wie Christian Petzolds "Roter Himmel", nicht einmal in die Vorauswahl. Im Interview mit NDR Kultur äußert sich Regisseur Edward Berger - für seine Neuverfilmung von "Im Westen nichts Neues" selbst in zwölf von 19 Kategorien für den Deutschen Filmpreis nominiert - deutlich dazu, dass ihm dieser in der Konkurrenz fehlt: "Also wie kann man nur einen Film, der einen Silbernen Bären auf der Berlinale gewinnt, der auch da im Wettbewerb läuft, nicht auswählen? Also das ist einfach ein bisschen ein Zeichen von Kleingeistigkeit."
Präsidium der Deutschen Filmakademie überarbeitet Wahlverfahren
Das Präsidium der Filmakademie hat sich nun offiziell dafür ausgesprochen, das Wahlverfahren für den Deutschen Filmpreis zu überarbeiten. Es sei an der Zeit, den Wahl-Mechanismus weiterzuentwickeln. Nicht wegen "Roter Himmel", sondern weil es ein schon lange diskutiertes Thema sei, so Filmemacher Florian Gallenberger, der gemeinsam mit der Schauspielerin Alexandra Maria Lara die Akademie leitet. Deutlich konkreter als die angekündigte Überarbeitung ist der Vorschlag von Filmemacher Berger:
Warum entledigt man sich nicht diesem ganzen Problem, indem man diese Jury einfach abschafft? Dann ist man auch nicht mehr angreifbar in dem Bereich, sondern dann hat das Publikum entschieden. Dann haben die Wähler entschieden, wie es in jedem anderen Land auch so ist. Ich weiß nicht, warum das bei uns so schwer sein soll. Regisseur und Autor Edward Berger
Aber abgesehen von dem Unrechtsempfinden vieler ProtagonistInnen der Filmbranche, was den Deutschen Filmpreis betrifft: Es geht schließlich auch um Kunst. Und die Anerkennung von Kreativität. Und diese sollte laut Katja Nicodemus nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden werden:
Über Kunst muss man diskutieren und streiten, und dann kann auch mal eine ganz überraschende Entscheidung hervorkommen. Deswegen muss man dieses Mehrheitsprinzip abschaffen und interessante Jurys einsetzen, die die Filme im Kino sehen und sich darüber streiten. Filmkritikerin Katja Nicodemus
Die Preisverleihung wurde ab 23.30 Uhr bis 2 Uhr zeitversetzt gesendet im ZDF Fernsehen.
Mit Mitarbeit von Patricia Batlle.