Désirée Nosbusch feiert mit "Poison" ihr Regie-Debüt
Désirée Nosbusch ist harmoniesüchtig, gibt nie auf - und mit einem Teller Nudeln wird immer wieder alles gut. Die gebürtige Luxemburgerin erzählt im Interview wie sie als Regisseurin ist und welche private Geschichte sie an den Film "Poison" erinnert.
Fast jeder kennt sie: Désirée Nosbusch. Ihre Stimme aus dem Radio, ihr Gesicht aus dem Fernsehen. Schon als Kind, im Alter von zwölf Jahren, hatte sie ihren ersten öffentlichen Auftritt. Danach moderierte sie Kinder-, Musik- oder Gesprächssendungen. Bis die gebürtige Luxemburgerin 1981 auch als Schauspielerin vor der Kamera stand und seitdem in zahlreichen Filmen zu sehen ist.
Gerade ins Kino gekommen ist ihr Regiedebüt "Poison - Eine Liebesgeschichte" mit Tim Roth und Trine Dyrholm in den Hauptrollen. Ein Film, der von Verlust, Schmerz und Liebe erzählt. Aber nach wie vor glänzt Désirée Nosbusch mit Glamour als Moderatorin auf zahlreichen Bühnen - präsentiert seit 2021 den "Opus Klassik" oder moderiert, jetzt im Februar, die Eröffnungsgala und den Eröffnungsfilm bei der diesjährigen Berlinale.
Du hast in den vergangenen Monaten ganz viel Zeit in Norddeutschland verbracht, denn du hast hier für die Serie "Ein Fall für Conti" gedreht. Da spielst du eine Anwältin. Wie hast du die Zeit hier in Norddeutschland erlebt?
Désirée Nosbusch: Es war wie nach Hause kommen. Ich habe bis zum 12. Dezember 2024 in Norddeutschland gedreht, und zwar den dritten Fall von "Conti". Es war sogar so, dass mein Hund Bowie sich freute. Wir waren sofort in "Planten un Blomen" und dann habe ich mir in meinem Lieblingscafé einen Kaffee geholt. Ich liebe Hamburg. Meine erste Reise nach Deutschland, als junges, neunjähriges Mädchen, ging nach Hamburg, genauer gesagt, war es Buchholz in der Nordheide. Da hatte ich meine erste Brieffreundin, Diana, die ich leider aus den Augen verloren habe. Ich suche sie seit Jahren und finde sie nicht. Die ist damals mit mir nach Hamburg gefahren. Ich stand hier in der Hansestadt und dachte, wow! Das haben wir in Luxemburg nicht, das ist eine Großstadt.
Seit Donnerstag ist der Film "Poison" im Kino, es ist Dein Regiedebüt. Ein Film, der inhaltlich auf einem Theaterstück basiert: "Gift - eine Ehegeschichte" von Lot Vekemans. Das muss ein wahnsinnig schöner Moment sein, den Film jetzt auf diesen ganzen Leinwänden im ganzen Land zu sehen. Es geht um ein Ehepaar, das getrennt ist, und sich auf einem Friedhof am Grab ihres Sohnes wiedertrifft. Der Sohn ist vor zehn Jahren tödlich verunglückt. Sie haben sich zehn Jahre nicht gesehen und kommen ins Gespräch. Es geht um Liebe und Verlust. Es geht auch ein bisschen um Hoffnung. Was ist für Dich der zentrale Aspekt?
Nosbusch: Für mich war bei diesem Stück die große Erkenntnis, dass man nicht gemeinsam trauern kann. Jeder hat seine ganz persönliche, individuelle Art mit Trauer umzugehen. Derjenige, der zurückbleibt und vielleicht im Selbstmitleid untergeht und stagniert, ist nicht der bessere Mensch als der, der sagt, ich lasse alles hinter mir und bewege mich weg von hier. Man tendiert oft dazu zu sagen, die arme Frau, sie hat nicht nur ihr Kind verloren, sondern auch der Mann hat sie verlassen und ist einfach gegangen. Wenn man aber mal die Perspektiven wechselt, merkt man: Für den Mann gab es keine Luft mehr zu atmen. Da war neben ihrem Schmerz kein Raum mehr für ihn und seine Verarbeitung der Situation.
Das hat sicherlich auch mit einer Geschichte in meinem Privatleben zu tun, die mit meinen Eltern zusammenhängt. Meine Eltern haben zwei Kinder verloren. Ich kann mich daran erinnern, als ich viereinhalb Jahre alt war, da sollten mein Vater und ich, meine Mutter mit einem kleinen Bruder aus dem Krankenhaus abholen. Aber wir holten nur meine Mutter ab, aber da war kein Bruder, und meiner Mutter ging es schlecht. Das ist ein Gefühl, was ich in mir trage, an dass ich mich erinnere. Damals wurde darüber nicht mehr gesprochen. Anderthalb Jahre später wurde glüchlcocherweise mein Bruder Jean Luc geboren, den ich jetzt noch habe, und es wurde nicht mehr darüber geredet. Als Erwachsene erinnerte ich mich daran, dass meine Eltern gefragt wurden, wie viele Kinder sie haben. Mein Vater sagte zwei und meine Mutter vier. Ich dachte, was das damals für deren Beziehung bedeutet hat, keine Kommunikation darüber und dieser tiefe Schmerz. Damals hat man nicht darüber gesprochen. Ich glaube, das hat mich an dieser Geschichte festhalten lassen, dass ich meinen Eltern einen Moment gewünscht hätte, das in einem Dialog zu bearbeiten, bevor es zu spät ist.
Ich habe mich gefragt, was Du für eine Regisseurin bist? Wie arbeitet es sich mit Dir?
Nosbusch: Ich bin harmoniesüchtig, das bin ich auch in meinem Leben. Ich tue mich sehr schwer, wenn ich weiß, da ist eine Blockade, und man erlaubt mir nicht, die in einem Gespräch zu lösen und zu klären. Ich muss für mich herausfinden, ob ich mich entschuldigen soll oder darf. So bin ich als Mensch. Ich glaube, was meine Regiearbeit angeht, versuche ich von Anfang an, mich mit Menschen zu umgeben, bei denen ich das Gefühl habe, die teilen eine ähnliche Sensibilität mit mir. Ansonsten ist mein größtes Anliegen, dass es den Menschen gut geht, die mit mir arbeiten. In diesem Fall war ich für meine Schauspieler wie ein Muttertier, ich wollte denen einen Spielplatz bieten, auf dem sie sich aufgehoben fühlen und sehr beschützt werden. Denn ich glaube, dass man nur dann über sich hinauswachsen kann. Autorität ist nicht meine Art. Ich halte nichts davon. Ich glaube nicht, dass die Kunst besser wird, wenn man Menschen klein hält oder bricht. Ich finde immer, dass das, was wir alle tun, nicht nur ein Job ist: Es ist Lebenszeit. Ich verbringe Lebenszeit lieber in Harmonie und positiv, als dass sie irgendetwas nicht Schönes hinterlässt.
In Deiner Rolle als Bankenchefin Christelle Leblanc in der Serie "Bad Banks" trägst Du eine Perücke mit grauen Haaren. Außerdem hast Du für die Rolle zehn Kilo abgenommen. Es ist eine Frau, die abgebrüht ist. Vordergründig ist sie eine sehr starke Frau. Wie stark ist die echte Désirée?
Nosbusch: Ich glaube schon, dass ich ein Stehaufmännchen bin. Ich gebe nicht schnell auf, aber ich bin auch nicht so verbissen. Was mich mein Leben lang immer wieder in heiklen Situationen gerettet hat oder mich hat weitermachen lassen, ist eine Freude am Leben. Ich bin in Luxemburg groß geworden, aber in der Seele bin ich doch sehr mit meiner italienischen Familie verbunden. Ich bin das Mädchen aus dem italienischen Dorf, wo dir immer wieder gesagt wird: 'Komm, jetzt iss erst einmal einen Teller Nudeln, und dann geht es schon wieder.' Das trage ich in mir und ich höre immer den Satz meiner Großmutter: 'Vergiss nie, wo du herkommst'. Diese Bodenständigkeit hat mich oft gerettet, das finde ich schön. Diese Dankbarkeit, dass man so viele Jahre etwas machen darf, was man am liebsten tut, das ist nicht selbstverständlich. Es ist toll, dass man immer noch mitspielen darf. Da erinnere ich mich jeden Morgen dran, und das lässt mich mit Freude weitermachen.
Das Gespräch führte Anna Novák in NDR Kultur à la carte. Einen Ausschnitt davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie oben auf dieser Seite und in der ARD Audiothek hören.