"Deadpool & Wolverine": Reynolds und Jackman über den Film
Die Union der Superhelden "Deadpool & Wolverine" ist vergangene erfolgreich im Kino angelaufen. Dabei wollte Hugh Jackman eigentlich nie wieder Wolverine spielen. Im Doppel-Interview mit Ryan Reynolds verrät er, warum er doch nochmal in die Rolle schlüpfte.
Nach der Trennung von seiner Freundin schuftet Wade Wilson als Gebrauchtwagenhändler und kämpft sich absolut unmotiviert durch den zivilen Alltag. Sein Alter Ego, den moralisch flexiblen Söldner "Deadpool", hat er hinter sich gelassen. Doch dann wird sein Heimatplanet von einer existenziellen Bedrohung heimgesucht. Und so muss Wade widerwillig wieder mit dem (oder auch gegen den) noch widerwilligeren Wolverine antreten. Um sich selbst und die Welt zu retten - und das ganze Multiversum natürlich gleich mit.
Mister Jackman, Sie waren 2017 mit "Logan" auf der Berlinale und haben uns dort mehr oder weniger versprochen, dass Sie durch seien mit Ihrer Karriere als "Wolverine".
Hugh Jackman: Es tut mir leid, ich habe es damals nicht nur Ihnen versprochen, sondern auch mir. Ich habe Sie und mich belogen. So fair muss ich heute sein.
Was hat Sie umgestimmt?
Jackman: Zugegebenermaßen hatte mein Rückzug ein ungünstiges Timing. Wir steckten mitten in den Dreharbeiten zu "Logan" und ich sah "Deadpool". Mein Ausstieg war eigentlich besiegelte Sache, aber ich fand den Film so cool, dass ich mir ein Aufeinandertreffen der beiden absolut vorstellen konnte. Für mich wäre das absolutes Neuland gewesen, etwas, was ich vorher in der Form noch nie gemacht hätte. Ryan Reynolds und ich haben immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, meinen Rücktritt vom Rücktritt hinzukommen. Aber ich kam aus der Nummer nicht mehr raus.
Wie haben Sie es doch geschafft?
Jackman: Ich habe Ryan noch vor meinem Agenten angerufen. Lachen Sie nicht, ich kann mich sehr gut daran erinnern! Am 14. August 2022 saß ich im Auto und hatte eine Art Geistesblitz. Ich wollte unbedingt diesen Film machen. Es war mir egal, dass ich damit alle anderen - und vor allem auch mich selbst - angelogen hatte.
Mister Reynolds, Sie dachten vermutlich, es sei der 1. April?
Ryan Reynolds: Ja, ungefähr so hat es sich angefühlt. Ich war gerade auf dem Weg zu einem Treffen mit Marvel-Produzent Kevin Feige. Ich hatte einen fertigen Pitch für einen dritten "Deadpool"-Film in der Tasche. Hughs Anruf hat alles verändert. Ich hab den Pitch in die Tonne gekloppt und ihm aus dem Stegreif ohne Notizen von "Deadpool & Wolverine" erzählt.
Mit Erfolg!
Reynolds: Ja, aber das Hochgefühl hielt nicht lange an, ziemlich schnell kam der immense Druck. Alleine einen "Deadpool"-Film zu machen ist schon krass, absorbiert mich für mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre. "Deadpool & Wolverine" hat das noch verdoppelt. In dem Moment, in dem Hugh sagte, dass er zurückkommen wird, wusste ich, dass ich für die nächsten Jahre kein eigenes Leben mehr haben würde.
Wie haben Sie es geschafft, dass der Film eine Altersfreigabe von 16 haben darf? Für Marvel ist es das allererste Mal überhaupt.
Reynolds: Marvel-Produzent Kevin Feige ist ein sehr kluger Mensch. Er hat meine Entscheidung, den Film als R-Rated zu machen, nie in Frage gestellt. Er wäre auch schön blöd gewesen. Er hat nur darum gebeten - und das fand ich einen sehr cleveren Schachzug, dass wir die Gewalt nicht um der Gewalt willen inszenieren sollen. Und die Gags nicht um der Gags willen. Alles musste die Geschichte voranbringen, Spannung erzeugen, authentische Figuren erschaffen. Jeder Blutspritzer hat seinen Grund.
Der Film steckt voller Insider-Gags, voller Meta-Ebenen. Wie schwierig ist es, die Balance zu halten, das wissende Fan-Publikum nicht zu langweilen und das "normale" Kinopublikum nicht zu verschrecken?
Reynolds: Es ist eine Gratwanderung. Aber genau das ist unser Job. Es gibt vieles im Film, das für das größtmögliche Publikum angelegt ist. Aber ich liebe es, einen Film zu personalisieren. Und wenn es ein Witz ist, den am Ende zwei Leute verstehen werden. Wir haben genug Material. Natürlich wollen wir keinen Film machen, der einen Insider-Gag an den nächsten reiht. Das haben wir auch nicht. Sie müssen nicht "Deadpool 1", "Deadpool 2" oder alle "Wolverine"-Filme gesehen haben, um diesen hier zu verstehen - und zu mögen. Wir geben dem Publikum genug Hilfestellung, um reinzukommen.
Jackman: Ryan Reynolds und Regisseur Shawn Levy, die gemeinsam auch das Drehbuch geschrieben haben, haben sich sehr viel darüber ausgetauscht. Egal, ob es um Vorwissen geht, die Biografie der Figuren oder anderes - es ist grundlegend falsch erstmal davon auszugehen, dass das Kinopublikum die Figuren ausnahmslos liebt. Leute, die das erste Mal mit den beiden Figuren in Berührung kommen, haben das Recht zu denken, dass es absolute A-Löcher sind. Oder sie finden sie eben cool und witzig.
Reynolds: Die ersten Entwürfe des Drehbuchs waren absolut humorbefreit. Es ging mir absolut nicht um Humor, es ging mir erst mal um die Idee einer Geschichte. Der Spaß kommt erst zum Schluss.
Das zentrale Element des Films ist Freundschaft. Die Freundschaft zwischen Ihnen beiden ist außergewöhnlich. Wie hat das den Film beeinflusst?
Jackman: Sehr.
Reynolds: Jede Sekunde.
Jackman: Es gibt Momente im Film, da ist es schwierig zu unterscheiden, ob es da gerade um Hugh und Ryan geht oder um "Deadpool" und "Wolverine". Das gleiche gilt, wenn wir uns verprügeln.
Reynolds: Ja, unser Leben besteht auch jenseits der Kamera aus Gewaltausbrüchen rund um die Uhr. Ohne zu viel verraten zu wollen: Es gibt einen Moment im Film, wo es wirklich um uns beide geht, um Ryan Reynolds und Hugh Jackman und eben nicht um "Deadpool" und "Wolverine". Es wird ein bisschen emotional, spricht uns beiden aber aus der Seele.
Wenn Sie so eng zusammengearbeitet haben, was haben Sie Neues über sich gelernt?
Reynolds: Ich wusste immer über die schauspielerische Brillanz von Hugh Jackman, sein Talent, Leute zu unterhalten. Aber mir war lange nicht klar, was für ein guter Geschichtenerzähler er ist. Er hat uns viel im Schreibprozess unterstützt, uns nochmal neue Denkanstöße gegeben, wenn wir zu festgefahren waren. Ich war irgendwann betriebsblind und zu sehr in der Materie drin. Er hat mich immer wieder rausgeholt und mit seinen Impulsen vollkommen neue Welten eröffnet. Also ich meine wirklich neue Welten. Dadurch hatten wir eine viel größere Möglichkeit "Wolverine" so zu erzählen, wie die Welt ihn noch nie gesehen hat.
Jackman: Ich habe gemerkt, was für ein harter Arbeiter Ryan Reynolds ist. Er hat sich so sehr in das Projekt gestürzt, dass er seine eigene Familie verstoßen hat. Das hat mich überrascht. Für mich kommt die Familie immer an erster Stelle.
Reynolds: Ich habe sie nicht verstoßen. Ich wurde durch Hugh Jackman ersetzt. Meine Kinder sind besessen von ihm. Sie nennen ihn mittlerweile "Aussie"-Dad, mich nur noch Onkel Ryan.
Wenn wir schon über Kinder reden. Viele Eltern kennen das, die endlosen Diskussionen darüber welcher Superheld, welche Superheldin der oder die beste ist. Wer waren Ihre Helden als Kinder?
Jackman: Für mich war es definitiv "Star Wars". Alle um mich herum fanden "Han Solo" toll. Mein Herz schlug für "Luke Skywalker". Ich habe eine Schwäche für Figuren, die Außenseiter und ein bisschen anders sind.
Reynolds: Das Schöne an Superhelden ist, dass die Möglichkeiten sie zu erzählen grenzenlos sind. Ich war als Kind besessen von "Wolverine". Für mich war er mit seinen Krallen einfach der Coolste. Aber um bei Star Wars mitreden zu können: "Emperor Palpatine", der alte Typ, der alles und jeden umbringt.
Das Gespräch führte Anna Wollner.