Elbphilharmonie: Denkwürdiges Konzert unter Klaus Mäkelä
Klaus Mäkelä ist der Shootingstar unter den Dirigenten. Der 25-jährige Finne steht bei vielen Klangkörpern der Spitzenklasse am Pult. Am Sonnabend dirigierte er das Amsterdamer Concertgebouw Orchester in der Elbphilharmonie - mit Sinfonien von Tschaikowsky und Schostakowitsch.
Dmitri Schostakowitsch beginnt seine sechste Sinfonie aus dem Jahr 1939 mit einem schmerzlichen Gesang von Celli, Bratschen und Holzbläsern. Und schon hier, in den ersten Takten, ist all das zu erleben, was das denkwürdige Konzert ausmachen wird.
Concertgebouw Orchester: seidiger Klang
Es ist der warme und seidige Klang des Concertgebouw Orchesters, der unbedingte Wille, gemeinsam zu gestalten. Und die Energie und Präzision, mit der Klaus Mäkelä diese Konzentration aufgreift und die krassen Stimmungswechsel der Sinfonie modelliert: die Seelendüsternis und Beklemmung im ersten Satz, aber auch den aufgesetzten Frohsinn im Allegro, mit dem Schostakowitsch den vom Stalin-Regime verordneten Zwang zum Jubel karikiert und ins Grelle überdreht.
Der 25-jährige Klaus Mäkelä - ein groß gewachsener junger Mann mit schlanken Gliedmaßen - vereint Klarheit und mitreißendes Temperament. Manchmal dirigiert er wie ein menschliches Metronom, mit geraden Gesten, und im nächsten Moment scheint er kurz davor, ins Orchester zu springen, als hätte er glühende Kohlen unter den Füßen. Aber das ist niemals Show, niemals zu viel, sondern immer im Dienst der Musik und in engem Kontakt mit den Mitgliedern des Concertgebouw Orchesters. Trotz der mächtigen Besetzung wahrt Mäkelä mit seinen Musikerinnen und Musikern einen sehr differenzierten Sound. "Natürlich suchen wir einen bestimmten Klang, der tief klingt und auch genug Transparenz hat", erzählt er.
Konzert voll Intensität und Ausdruckskraft
Diese Balance aus Tiefe und Transparenz finden Mäkelä und das Concertgebouw Orchestern auch nach der Pause, in Tschaikowskys sechster Sinfonie, seiner "Pathétique". Hinreißend, wie der Dirigent das bittersüße Geigenthema in die Bläser einbettet oder wie er die Akustik der Elbphilharmonie nutzt, um mit den Orchestersolisten ganz zarte Pianissimofarben zu erkunden. Auch in solchen geflüsterten Passagen hält Mäkelä immer die Spannung - um dann urplötzlich einen dramatischen Kontrast aufzureißen.
Diese Intensität und Ausdruckskraft tragen bis zum dunklen Ende, wenn Tschaikowsky seine Sinfonie in den tiefen Streichern ersterben lässt. Klaus Mäkelä dimmt das Orchester hier immer weiter herunter, bis in die Stille hinein und verharrt danach regungslos, mit leicht geneigtem Kopf. Das Publikum trägt diese Stille unglaubliche 50 Sekunden mit. Einer von vielen Belegen für die atemberaubende Dichte eines Konzerts, das zu den packendsten in der bald fünfjährigen Geschichte der Elbphilharmonie gehört und noch lange nachhallt.