Opening Night in Elbphilharmonie: Ein Wummern im ganzen Körper
Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie Orchester haben die Saison am Freitag eröffnet: mit Musik von Dutilleux und Strawinsky, die durch Mark und Bein ging, und einer Uraufführung für US-Geiger Joshua Bell. Ein Konzertbericht.
Mit der "Opening Night" ist das NDR Elbphilharmonie Orchester in die neue Saison gestartet - unter Leitung seines Chefdirigenten Alan Gilbert und mit Solist Joshua Bell als neuem Residenzkünstler. Der US-amerikanische Stargeiger hatte nicht nur seine Stradivari dabei, sondern auch ein neues Werk für Geige und Orchester, das in der Elbphilharmonie uraufgeführt wurde.
"Earth" von Kevin Puts - Soundtrack eines Erwachens
Ein sanft aufsteigendes Motiv der Harfe, grundiert von den Orchesterstreichern, dazu eine zarte Melodie der Solo-Geige: Der Beginn des Stücks "Earth" ("Erde") von Kevin Puts wirkt wie der Soundtrack eines allmählichen Erwachens. Es fühle sich fast an wie der Anfang der Zeit, sagt der Geiger Joshua Bell. Man könne sich vorstellen, wie die Sonne über dem Horizont aufgeht.
Die bildhafte Erden-Musik von Kevin Puts ist der erste Teil der Suite "The Elements" ("Die Elemente"), deren einzelne Sätze Joshua Bell bei drei Komponisten und zwei Komponistinnen aus den USA in Auftrag gegeben hat. Sie alle kennen die Stärken des Geigers und haben ihm einen dankbaren Solopart in die Finger geschrieben.
Opening Night mit Joshua Bell - "Wie ein Walt-Disney-Film"
Bell lässt seine Stradivari wunderbar singen, mit Fülle und Süße im Ton, er spielt aber auch mit einer großen Klarheit. Virtuos rauschen die Läufe - wie im Stück "Water" von Edgar Meyer, in dem man immer wieder kleine Wasserkaskaden sprudeln zu hören meint.
Joshua Bell und das NDR Elbphilharmonie Orchester reizen den Farbreichtum der Musik zusammen mit Alan Gilbert am Pult nuancenreich aus. Die Darstellung der Elemente ist oft sehr plastisch vertont. Ein Konzertbesucher erzählt, es sei für ihn "wie ein Walt-Disney-Film", eine Besucherin fand das Element "die Luft besonders toll".
Elbphilharmonie: Auftragswerk "The Elements" ist sehr zugänglich
Das Auftragswerk "The Elements" ist sehr zugänglich, für einige Besucher allerdings nicht aufregend genug. "Ich fand manche Sachen gut orchestriert. Aber von der musikalischen Substanz her mir zu beliebig", berichtet ein Besucher aus dem Publikum.
Ausgerechnet das neueste Stück wirkt in diesem Programm am wenigsten modern, fast ein bisschen brav. Es wird gerahmt von zwei Klassikern des 20. Jahrhunderts: zuerst das Werk "Métaboles" von Henri Dutilleux, mit gleißenden Holzbläsern und warmen Streichern - und manchmal auch mit gestopften Blechbläsern, die nach Bigband klingen.
Schöner Blechbläsersound bei "Métaboles" von Dutilleux
Ein schöner Sound, herrlich gespielt von der Trompeten- und der Posaunengruppe des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Am Ende dreht das Stück von Dutilleux allerdings den Pegel hoch - und zwar ordentlich. Da ist schon ein bisschen was von der Lust am Lärm zu spüren, die auch das letzte Stück des Abends prägt: Igor Strawinskys "Le Sacre du Printemps".
Alan Gilbert und das NDR Elbphilharmonie Orchester musizieren präzise und mit urwüchsiger Kraft. Sie entfachen eine mitreißende Energie. Den riesigen Klangkörper in Action zu sehen, wenn die Pauker und Schlagwerker auf ihre Instrumente hämmern, während die Streicher ihre Saiten schruppen: Das ist ein echtes Erlebnis, nicht nur für die Ohren! Die Musik geht durch Mark und Bein, wummert im ganzen Körper. Ein starker Auftakt zur neuen Saison, der das Publikum am Ende richtig schön durchgeschüttelt hat.
Der Video-Mitschnitt des Abends ist noch für 30 Tage hier bei NDR Kultur und sowie auf der Website des Orchesters nachzusehen und zu hören.