Jordi Savall beim Dirigieren © Toni Peñarroya
Jordi Savall beim Dirigieren © Toni Peñarroya
Jordi Savall beim Dirigieren © Toni Peñarroya
AUDIO: "Krieg und Frieden" in der Elphi: Ergreifender Abend mit Jordi Savall (3 Min)

"Krieg und Frieden" in der Elphi: Ergreifender Abend mit Jordi Savall

Stand: 11.05.2024 12:11 Uhr

Die UNESCO hat ihn zum "Künstler für den Frieden" ernannt, die EU zum "Botschafter für den kulturellen Dialog". Beim Internationalen Musikfest Hamburg hat Dirigent Jordi Savall am Freitag sein Konzert "Krieg und Frieden" in der Elbphilharmonie gegeben.

von Peter Helling

An einer Stelle an diesem Abend hört man eine Trommel. Nichts weiter. Sofort löst sie etwas aus: Gedanken an Krieg. Es ist ein Stück, das im Dreißigjährigen Krieg komponiert wurde, und wirkt wie eine Erinnerung an etwas, das tief in uns steckt. 

Krieg und Frieden und prachtvolle Musik gegossen

Das Konzert in der Elbphilharmonie ist eine musikalische Zeitreise durch 100 Jahre zwischen Krieg und Frieden, mit Musikstücken von 1618 bis 1714: Klagelieder, Säbelrasseln, Triumphgeheul und der Ruf zur Schlacht werden in prachtvolle Musik gegossen, immer mit dem frommen Verweis auf Gott. Ein Widerspruch? Ja, genau. Darum geht es an diesem bewegenden Abend. 

Jordi Savall, der katalanische Dirigent und Gambenspieler, betritt die Bühne, auf der schon seine Musiker und Musikerinnen Platz genommen haben. Er geht am Stock, setzt sich nicht vor, sondern mitten zwischen seine Kollegen und Kolleginnen, packt sein Instrument aus. Dann dirigiert er, hochpräzise. 

Vibrierende Übergänge zwischen den Kulturen  

Das Besondere: Vorne, im Zentrum des Orchesters, haben vier Musiker mit orientalischen Instrumenten Platz genommen. Dadurch entstehen vibrierende Übergänge zwischen den Kulturen. Wenn wieder die westeuropäische Musik übernimmt, erklingen Händel, Schütz oder Charpentiers "Te Deum" - eine Melodie, die Erinnerungen an den ESC auslöst und hier gleichzeitig sehr kriegerisch und wie mit Pulverdampf daherkommt.  

Weitere Informationen
Eine schwarz-weiß-Fotografie: Hamburg vom oben; im Vordergrund der Kirchturm von St. Nikolai, im Hintergrund die Elbphilharmonie. © Internationales Musikfest Hamburg

Internationales Musikfest Hamburg 2024 mit den NDR Ensembles

Vom 26. April bis 2. Juni 2024 sind die NDR Ensembles Teil des Internationalen Musikfests Hamburg, welches unter dem Motto "Krieg und Frieden" steht. mehr

Die Sänger und Sängerinnen singen ausdrucksstark, lösen sich ab wie im Gespräch, keine Stimme dominiert. Fabelhaft! Die Stücke lassen sich wie ein einziger Fluss hören. Und es entsteht der Eindruck: Die Menschen sind sonderbar. Sie führen Kriege und machen darüber die ergreifendste Musik. Vielleicht, um das Schreckliche zu bannen, oder um sich zu erinnern. "Das macht einen schon sehr nachdenklich, weil es ja gerade wieder aktueller ist denn je", erzählt eine Besucherin später. "Die Menschen lernen halt nichts aus der Geschichte, das ist leider das Traurige." 

"Frieden ist das Schönste, was es gibt"

Am Ende steht Jordi Savall zum ersten Mal an diesem Abend auf, bei einem Stück von Arvo Pärt, das dieser 2004 komponiert hat, aus Anlass der islamistischen Terroranschläge in Madrid. Und als Zugabe widmet er ein spanisches Klagelied den Opfern der Kriege von heute, als Gebet für Frieden in der Ukraine, in Israel, in Gaza. Es ist ein ernstes Konzert, mit einer zutiefst menschlichen Botschaft: "Frieden ist das Schönste, was es gibt", sagt ein Zuschauer beim Rausgehen. "Alles andere könnt ihr vergessen."

Das Internationale Musikfest Hamburg geht noch bis 2. Juni. Am Mittwoch, 15. Mai, gibt es zum Beispiel noch Karten für den gefeierten Mandolinisten Avi Avital aus Israel. Er tritt um 19:30 Uhr im Hamburger Michel auf. 

Weitere Informationen
Sara Abazari im Porträt © Sara Abazari

Internationales Musikfest: Varèse, Abazari und Ustwolskaja

Aufbruchsstimmung: Stefan Asbury dirigiert wegweisende Werke von Varèse, Abazari und Ustwolskaja beim NDR Elbphilharmonie Orchester. mehr

Montage: Kinan Azmeh und Golnar Shahyar © Liudmila Jeremies | Ina Aydogan Foto: Liudmila Jeremies | Ina Aydogan

IMF in der Elphi: NDR Bigband feat. Golnar Shahyar & Kinan Azmeh

Internationales Musikfest Hamburg: Die NDR Bigband spielt unter der Leitung von Wolf Kerschek "A Flow of Protests and Kindness". mehr

Die russische Komponistin Sofia Gubaidulina © F. Hoffmann, LaRoche Limited

Internationales Musikfest Hamburg: Sofia Gubaidulina im Porträt

Unter Leitung von Marin Alsop widmet sich eine Gruppe des NDR Elbphilharmonie Orchesters der Musik von Sofia Gubaidulina. mehr

Dirigentin Marin Alsop im Porträt © NDR, Adriane White Foto: Adriane White

Internationales Musikfest: Marin Alsop & Jess Gillam

Marin Alsop kehrt zurück ans Pult des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Jess Gillam spielt Macmillans Saxofonkonzert. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 11.05.2024 | 08:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Elbphilharmonie

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Die Europa-Fahne, die deutsche Flagge und eine Regenbogenflagge sind vor dem Reichstag in Berlin gehisst. © picture alliance/photothek Foto: Leon Kuegeler

75 Jahre Bundesrepublik: "Die Bildsprache hat sich verändert"

Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetzes verkündet. Seitdem wandelte sich das Bild und das Selbstverständnis des Landes - vom nüchternen Schwarzweiß zu grellbunt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Urlaub um jeden Preis?