Dirigieren will gelernt sein: Masterclass mit Alan Gilbert
Pianisten brauchen zum Üben ein Klavier, Violinisten eine Violine. Um Dirigieren zu üben, braucht man ein Orchester - und einen Lehrer. Alan Gilbert, Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, gibt einen dreitägigen Meisterkurs in Hamburg.
Für die erste Probe nach den Sommerferien hat Gilbert Brahms ausgesucht. Dirigentenwechsel im Halbstunden-Takt, der US-Amerikaner beobachtet genau und gibt permanent Anweisungen wie zum Beispiel: "Mein Gedanke bei dir ist, dass du zu viele Schläge kontrollierst. Natürlich will man als Dirigent das Tempo kontrollieren, aber manchmal ist der beste Weg dafür, die Orchester fließen zu lassen."
Aber auch der Humor kommt bei dem 57-Jährigen nicht zu kurz. Ein Dirigentenstab könne sich unterschiedlich schnell bewegen, erläutert Gilbert: "Mal wie durch Luft oder durch Wasser. Aber manchmal ist es auch, als ob man sich durch Honig bewegt oder durch Erdnussbutter, eine große Menge an Erdnussbutter. Brahms liebte übrigens Erdnussbutter - kann ich mir zumindest vorstellen."
Körpersprache ist das Instrument der Dirigenten
Beim Dirigieren sei die Körpersprache das Instrument, so Gilbert. Doch jede Person bewege sich anders: Manche dirigierten weicher, andere eckiger. Gesten richtig zu platzieren, das sei die Kunst. Allein der Wechsel zwischen Handfläche nach unten oder nach oben könne schon Wunder bewirken: "Du kannst den Unterschied im Klang sofort hören. Ich halte den Klang unten. Und wenn ich keine Grenze setze, entspannen sich sofort alle. Du kannst es fühlen in ihren Körpern."
Die sieben Nachwuchstalente sind ganz Auge und Ohr. Auch wenn sie selbst nicht am Dirigentenpult stehen, lernen sie dazu. "Ich habe definitiv gelernt, wie man den Takt ein bisschen schneller anzeigt, um das Tempo zu bekommen, das ich erreichen möchte. Auch, wie ich Details und musikalischen Ideen zeige - also mehr, als nur den Takt zu schlagen", sagt die Polin Agata Zajac. Sie ist aktuell Assistenzdirigentin beim Symphonieorchester in Barcelona. Dirigieren bedeute auch, in die Zukunft zu schauen, mit den Gedanken und mit dem Körper.
Die Schwierigkeit, ein Orchester zu starten
Kurzes Anspielen, Unterbrechen, ein Hinweis, manchmal zeigt Gilbert verschiedene Varianten. Erneutes Anspielen. Innerhalb kürzester Zeit versuchen die sieben Dirigentinnen und Dirigenten all die Hinweise umzusetzen. Ein Thema taucht immer wieder auf: Schon der Auftakt sollte bereits Tempo und Klangfarbe angeben. Das ist aber gar nicht so einfach.
"Wenn du so dirigierst, gibt ihnen das nicht genug Zeit, um sich mit ihrem Klang vorzubereiten. Ich habe Augenkontakt vor dem ersten Einsatz. Etwa vier Takte vorher. Nur ein kurzer Blick. So wissen sie: Es kommt", sagt Gilbert und fügt hinzu: "Es ist erstaunlich, wie viele Leute mit einem Orchester nicht gut starten können."
Noch Restkarten für öffentlichen Meisterkurs
Was die Arbeit mit dem erfahrenen Dirigienten so besonders macht, bringt Gerald Karni, der in der Schweiz Dirigat studiert hat, auf den Punkt: "Seine Hingabe. Er macht das mit voller Energie und mit voller Leidenschaft. Er nimmt sich die Zeit und das Orchester natürlich auch. Das ist nicht selbstverständlich."
Wer bei diesen ungewöhnlichen Proben dabei sein möchte, hat am Freitag die Gelegenheit dazu, denn da ist Publikum beim Meisterkurs zugelassen. Von 10 bis 13 Uhr gibt es die Möglichkeit, Alan Gilbert, den jungen Dirigentinnen und Dirigenten und dem NDR Elbphilharmonie Orchester über die Schulter zu schauen und zuzuhören. Allerdings gibt es nur noch Restkarten (acht Euro) an der Tageskasse.