"The Punch" in Hannover: Interaktives Schauspiel im Boxring
In "The Punch" untersucht das Theater an der Glocksee, was wir machen können, wenn es uns trifft: den Schlag einstecken, sich wegducken? Und das Publikum macht mit.
Ring frei für den Kampf des Lebens. Ein Moderator in kariert-glitzerndem Jackett, rosa Krawatte und Sportschuhen steht vor einem Boxring im Theater an der Glocksee und begrüßt das Publikum. Flippig gestylt, in kurzen Sporthosen in orange, lila und grün laufen vier Champions auf. Dann wird der digitale Wortmischer angeschmissen: ein Wort, ein Name werden ausgespuckt. Los geht’s mit dem Thema Wut. Eine Schauspielerin jammert lautstark über den schnarchenden Nachbarn.
Schläge aus der Corona-Zeit sichtbar machen
Vor zwei Jahren kam dem Team des Theaters an der Glocksee die Idee: Sie wollten die unsichtbaren Schläge, die man während der Coronazeit ständig einstecken musste, einmal sichtbar zu machen, so Jonas Vietzke vom künstlerischen Leitungs-Duo. "Ich habe so den Eindruck, dass wir schon ein großes Aggressionspotenzial haben in der Gesellschaft. Gleichzeitig haben wir aber auch eine merkwürdige Form der Konfliktführung oder der Verbalisierung von Sachen. Das ist ein gefährliches Gemisch, glaube ich, und deshalb war es für uns auch interessant, tatsächlich mal in dieses körperliche, krasse Bild von einem realen Schlag zu gehen und zu schauen, was das macht."
Fünf Minuten für das Abfüllen von Tränen
Die Champions haben fünf Minuten Zeit für das Abfüllen von Tränen. Sie schwirren aus ins Publikum, drücken sich Zwiebeln in die Augen, lassen sich traurige Geschichten erzählen, um die meiste Tränenflüssigkeit von allen in einem Becher aufzufangen.
Dann wieder halten sie in ihren dicken Boxhandschuhen dünne Karteikarten und tragen vor, was krank macht:
Eine Kränkung ist eine psychische Reaktion, eine psychische Reaktion, die sich schlagartig oder schleichend entwickeln kann. Vor allem im Verlauf der Entwicklung der Persönlichkeit prägen sich Kränkungen ein und können das weitere Leben beeinflussen. Zitat Bühne
Es sind mehr die unsichtbaren Schläge, die die verschiedenen spielerischen Momente dieses Stückes herauskitzeln - nicht der tatsächliche, physische Schlag wird inszeniert. Stattdessen gibt ein Trainer für asiatischen Kampfsport im Video Anweisungen, wie man mit Schlägen umgehen soll.
Harte Hülle, weicher Kern
Auch das Bild des "Champions" wird hinterfragt. Marit Persiel mimt einen dieser Champions auf der Bühne. "Ich glaube, die Herausforderung ist, zu verstehen, dass hinter jeder Champion-Außenfassade immer auch etwas steckt, das schon viele Erfahrungen gemacht und viele Traumata erlitten hat, viele gute Dinge, viele schlechte Dinge erlebt hat." Sie will ein offenes Bild schaffen zwischen einem "starken Außen" und einem "weichen Kern".
Publikum beeinflusst das Stück
Am Ende liegen sie alle zusammen im Boxring. An der Seite steht ein Zylinder mit Zetteln, auf die das Publikum seine eigenen Gedanken und Fragen geschrieben hat. Im Verlauf des Projekts werden sie aufgegriffen und nehmen so Einfluss auf das Stück. Dadurch ist jede Vorstellung immer auch ein bisschen anders. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können mit einer sogenannten "Punch Card" diese sich weiter entwickelnden Vorstellungen besuchen.
Bei den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern kam das an: "Ich hatte das Gefühl, an vielen Stellen auch Raum für meine eigenen Geschichten zu haben und die da auch reinlesen zu können", sagt eine Besucherin nach der Vorstellung. Eine andere urteilt verhaltener: "Teilweise fanden wir, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler etwas die Spannung verloren hatten." Ein Besucher hat sich gleich eine "Punch-Card" gekauft. "Die einzelnen Szenen waren sehr amüsant, ich fand es ziemlich gut und bin gespannt, wie es weiter geht."
"The Punch" in Hannover: Interaktives Schauspiel im Boxring
Schläge einstecken, oder sich wegducken? Im Theater an der Glocksee lässt sich das Publikum auf verschiedene Optionen ein.
- Datum:
- Ende:
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Theater an der Glocksee
Glockseestraße 35
30169 Hannover