Orffs "Trionfi" in Hamburg: Derbe Texte und überbordende Musik
Mit den "Carmina Burana" hat Carl Orff einen echten Klassiker komponiert. Was weniger bekannt ist: Sie sind Teil einer Trilogie, die er "Trionfi" genannt hat, also Triumphe. Die Hamburger Staatsoper zeigt eine Inszenierung der selten zusammen aufgeführten Werke.
Die Musik von Carl Orff wühlt auf durch Rhythmus und Wiederholungen. An diesem Abend gibt es gleich drei Stücke von ihm. Die Texte, sonst weniger beachtet, stecken voller Erotik. Und die bringt Regisseur Calixto Bieito im ersten Teil sehr explizit auf die Bühne. Die "Catulli Carmina" (die Lieder von Catull) handeln von Liebe und Eifersucht zwischen den antiken Figuren Catull und Lesbia. Auf Latein singt Catull: Mit keinem schläft sie lieber als mit mir.
In einer Szene wird Lesbia umringt von nackten Menschen, die nach ihr greifen, mit ihr zu einer Menschentraube verschmelzen. Eine Orgie als lesbische Fantasie. Nicht jedermanns Geschmack: "Das war sehr gierig, sehr archaisch - super gesungen, super Orchester, super Musik, aber ich musste die Augen zumachen", gibt eine Besucherin zu.
Musiker spielen über der Bühne
Die Musik ist in der Tat überbordend. Viele Sänger und noch mehr Instrumente. Die passen nicht in den Orchestergraben. Die Musiker spielen stattdessen auf Tribünen über der Bühne. Weil die Sänger im Rücken des Dirigenten stehen, dirigieren zwei Personen synchron vom Zuschauerraum aus.
Viel Nacktheit, Sexualität und Theaterblut
Im zweiten Stück "Trionfo di Afrodite" (Sieg der Liebesgöttin Aphrodite) werden es immer mehr Brautpaare. Eine Massenhochzeit. Auch hier Nacktheit, Sexualität und Theaterblut. "Das ist die Frage: Muss man einen Text, in dem es zur Sache geht, unbedingt auch so inszenieren? Ich glaube, je hanseatischer man ist, desto stärker findet man das too much", sagt ein Besucher.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich die gesamte Inszenierung. Eine gelungene Erfindung des Regisseurs ist die Verkörperung des Alters. Gerlinde Supplitt tanzt hier ein Gefühl: "Im Prinzip ist jeder Auftritt wieder improvisiert. Die Bewegungsidee ist Zorn, Wut darüber, ausgegrenzt worden zu sein."
Die hochbetagte Tänzerin ist schlank und beweglich. Ursprünglich sollte auch sie nackt tanzen. Ihre Reaktion: "Das möchte ich nicht, dafür hüpfe ich zu viel herum, mal leger ausgedrückt, und ich zeige nicht alles. Ich glaube auch nicht, dass das erforderlich ist." Tänzerin, Regisseur und Kostümbildnerin einigten sich auf hautfarbene Unterwäsche.
Tosender Beifall für die Solisten
In der zweiten Hälfte gibt es die bekannten "Carmina Burana". Die Lieder aus Beuren über Frühling, Liebe und Alkohol werden auf der Bühne zum Weinfest. Schöne bunte Bilder, "aber wenn ich dann drei Strophen lang die Leute immer in den Fässern stampfen sehe, dann fehlt mir irgendwie noch eine Entwicklung", bemängelt ein Operngast.
Die kommt dann sehr plötzlich. Wenn Wein aus Eimern durch die Gegend fliegt, wird die Bühne zu einer roten Rutschbahn, die an Blutlachen erinnert. Was zuletzt erklingt, bleibt im Ohr: Und so endet der Abend nach zwei Stunden Carl Orff mit dem populären Chor der Fortuna. Darauf folgt tosender Applaus - vor allem für die Solisten, die unabhängig von den derben Texten, ganz himmlisch gesungen haben.
Orffs "Trionfi" in Hamburg: Derbe Texte und überbordende Musik
Die Trilogie mit den bekannten "Carmina Burana" feierte an der Hamburger Staatsoper eine bildgewaltige und opulente Premiere.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Staatsoper Hamburger
Dammtorstraße 28
20354 Hamburg