"Herr Puntila": Zäher Spielzeitauftakt am Schauspielhaus
Am Sonntagabend war Spielzeitzeitauftakt am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Doch Bertolt Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti" mit Joachim Meyerhoff und Kristof Van Boven blieb in Tristesse stecken.
Der Abend beginnt wie ein Film des finnischen Kultregisseurs Aki Kaurismäki: nebelverhangene Tristesse, hinten ein alter Wohnwagen, schräge Typen, viel Alkohol und eine große menschliche Wärme. Puntila, der steinreiche Gutsbesitzer, betrinkt sich in einem Gasthaus. Schon tagelang. Dann sieht er zum ersten Mal seinen Chauffeur Matti.
Ich bin Ihr Chauffeur, Herr Puntila! / Was bist du? Sag’s nochmal! / Ich bin Ihr Chauffeur!! / Das kann jeder sagen. Dialog aus dem Stück "Herr Puntila und sein Knecht Matti"
Sofort ist die Luft geladen: Die beiden, Herr und Knecht, beginnen eine seltsame Beziehung, lauernd, gefährlich. Solange Puntila besoffen ist, ist er der Menschenfreund in Person, aber wehe, wenn er nüchtern ist. Matti weiß das:
Dann bekommen Sie die Anfälle von Nüchternheit regelmäßig? / Ja, regelmäßig, die ganze andere Zeit bin ich vollkommen normal. Dialog aus dem Stück "Herr Puntila und sein Knecht Matti"
Meyerhoff als Puntila - Van Boven als Matti: Fabelhaftes Duo
Vorsicht, wenn der Chef allzu vertraulich und menschelnd wird - man könnte es am nächsten Tag bereuen. Joachim Meyerhoff als Puntila, der Exzess-Schauspieler, am Anfang wunderbar aasig und gedrosselt, und Kristof Van Boven als Matti: dieser kühl-nervöse Analytiker - dieses Duo ergänzt sich fabelhaft. "Joachim Meyerhoff ist immer eine Wucht. Ich glaube, das hat er heute in der Rolle wieder gut aufs Parkett gebracht", hob auch ein Zuschauer hervor.
Stück als Kommentar zur heutigen Zeit lesbar
Das Stück erzählt die ewig aktuelle Geschichte von Macht und Unterdrückung, von Reichtum und Armut, von Privilegien und Unterprivilegierten. Regisseurin Karin Beier erzeugt am Anfang sehr dichte und atmosphärische Momente: Hinten schwirren Video-Wolken vorbei, Krähenschwärme, die verdächtig an Bombengeschwader erinnern - Geschützlärm. Klar, Brecht schrieb das Stück im Zweiten Weltkrieg, aber es lässt sich auch als Kommentar auf die heutige Zeit lesen.
Wechselspiel zwischen Knecht und Herrscher
Puntila und Matti beginnen ein Wechselspiel, der Knecht probiert das Herrschen aus. Puntila lässt ihn, aber alles ist gönnerhaft, kann sofort in Gewalt kippen. Großartig an diesem zu Beginn dichten Theaterabend: Josef Ostendorf als Schmuggleremma. Mit Frauenperücke und rosa Kittelschürze singt er die warnenden Balladen von Paul Dessau traumschön.
Hauptfiguren entwickeln sich nicht weiter
Nur leider bleibt der Theaterabend in der Tristesse stecken: Er zieht sich, die beiden Hauptfiguren entwickeln sich nicht wirklich weiter - selbst als Puntila in einem Überschwang seine Tochter Eva, gespielt von Lilith Stangenberg, dem Chauffeur andrehen will, der dankend ablehnt, kommt kein neuer Aspekt dazu. Auch das Publikum bemängelt die Umsetzung des Stücks, kritisiert es nach der Vorstellung als "ausufernd", "sehr exaltiert, zum Schluss zu lang und ausgedehnt".
Zweiter Teil verliert kapitalismuskritischen Ansatz
Nach der Pause verliert die Inszenierung völlig den inneren Kern - Joachim Meyerhoff spielt Betrunkensein in allen Facetten. Der ganze kapitalismuskritische Ansatz scheint vergessen. Auch viele Zuschauer sind vom zweiten Teil enttäuscht und vermissen etwa eine aktuelle Stellungnahme zu dem Stück.
Furioses Ensemble - Inszenierung geht die Puste aus
Es ist ein zäher Spielzeitauftakt, der Fragen aufwirft - und eher ratlos macht. Dass hier ein furioses Ensemble spielt, macht die Gesamtkonstruktion der Inszenierung nicht lebendiger. So geht diesem Abend die Puste aus.
"Herr Puntila": Zäher Spielzeitauftakt am Schauspielhaus
Auch ein furioses Ensemble um Joachim Meyerhoff kann nicht verhindern, dass die Inszenierung in Hamburg wenig stringent und leblos wirkt.
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Die Abendkasse ist ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn geöffnet, sonntags drei Stunden vorher.