"Die gläserne Stadt": Hauptsache laut, wenn's auch leise ginge
Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg hat "Die gläserne Stadt" mit Schauspielerin Lina Beckmann am Freitag Uraufführung gefeiert. Doch die Komödie voller hanseatischer Charaktere erleidet Schiffbruch.
"Die gläserne Stadt" heißt die Komödie der Dramatikerin Felicia Zeller - eine neue Version des Lustspiels "Der Revisor" des ukrainischen Dichters Nikolai Gogol. Das klingt nicht ganz zufällig nach dem "gläsernen", also durchleuchteten Bürger.
Standing Ovations für "Die gläserne Stadt"
Am Ende des Abends: Jubel. Der Saal steht. "Es ist sehr, sehr lustig und vor allen Dingen unfassbar virtuos gespielt", heißt es aus dem Publikum. Dabei basiert alles auf einem Missverständnis: "Ein Revisor, soll demnächst …" - an Bord eines rostigen Containerschiffs auftauchen - beeindruckend riesig, Kurs nach Nirgendwo. Dort sind die Pfeffersäcke Hamburgs versammelt: der Bankier und seine Frau, der Rechtsanwalt, die Reeder, die Klinikchefin, der Investor, und sie schmeicheln sich bei ihm ein, dem Revisor. Allerdings: Der vermeintliche Steuerfahnder der Finanzbehörde ist gar keiner. Sondern ein Geflüchteter, ein blinder Passagier.
"Ich kann nicht mehr, sollen sie mich doch gleich ins Gefängnis stecken oder ins Flüchtlingslager oder mich gleich ganz abschieben, ich scheiß auf das Ganze", sagt der falsche Revisor, nachdem er aus einem Bullauge gekrochen ist. Der echte Revisor ist eine Revisorin und kommt mit Riesentamtam am Ende des ersten Teils auf die Bühne. Und jetzt setzt es Haue für die Reichen, die Steuerhinterzieher und Korrupten, die so richtig schamlos feiern, wie man sich das im Theater eben so vorstellt: die sich Kokain-Lines ziehen - hier überdeutlich mit kiloweise Bühnenmehl versinnbildlicht. Carlo Ljubek als falscher Revisor lacht diabolisch, weil er die Reichen förmlich aussaugt.
Lina Beckmann als biederer Bankier Bernd Baktus
Die an sich bissige Komödie schippert zahnlos daher. Regisseur Viktor Bodó lässt das Ensemble über eine zentrale Treppe stolpern, was dem Abend leider auch nicht mehr Poesie verleiht, versieht das Ensemble mit mächtig falschen Zähnen und steckt es in Tennishosen zur künstlich gebräunten Haut. So stellen sich Pfeffersäcke Pfeffersäcke vor.
Zugegeben, am Anfang ist es ein großer Aha-Moment, wenn man die Stimme Lina Beckmanns aus dem Körper des biederen Bankiers Bernd Baktus kommen hört. Sie ist nicht wiederzuerkennen mit Altherrenglatze und Bart. Virtuos gespreizt gibt sie diesen leicht trotteligen Kapitalisten, der - Autsch, Ohrfeige für Hamburg! - den Bürgermeister der Stadt besticht. Samuel Weiss mit Olaf Scholz-Augenklappe, damit es auch jeder und jede versteht.
Anspielung auf Steuerskandal Cum-Ex
Das Containerschiff steuert auf den Untergang zu. Das ist gemeint als Satire auf die Steuerskandale der letzten Jahre - Stichwort: Cum-Ex, die hier "Mixmax-Geschäfte" heißen. Nur: Politisch wird dieser Abend keine Sekunde. Man hört die Pointen schon Kilometer vorher um die Ecken biegen. Kein Charme, kein Witz, sondern: Nummern. Knaller. Hauptsache laut, wenn's auch leise ginge.
Die Autorin Felicia Zeller hat aus Gogols Klassiker einen neuen Text gewonnen, indem sie gefühlt immer das Verb hinten weglässt, damit es hübsch floskelhaft und Politiker-mäßig klingt. Macht den Abend leider noch flacher und leerer. Am Ende kriegen die Pfeffersäcke auf die Mütze und treten die Rolling Stones auf. Es ist ein bisschen wie bei Mario Barth: Stadion voll, Riesenshow, kommt super an, Witz groß, alle lachen. Diese Kracher-Komödie erleidet Schiffbruch.
"Die gläserne Stadt": Hauptsache laut, wenn's auch leise ginge
Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg hat "Die gläserne Stadt" am Freitag Uraufführung gefeiert. Doch die Komödie erleidet Schiffbruch.
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Deutsches Schauspielhaus Hamburg
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