Nachtclub statt Oktoberfest: "Kasimir und Karoline" in Hannover
Schon in Mozarts "Così fan tutte" widmete sich Martin G. Berger dem Liebesleben moderner Paare. Jetzt untersucht er in seiner Musical-Version von "Kasimir und Karoline" das heutige Miteinander von Mann und Frau.
Auf der Bühne dreht sich ein Nachtclub. Ein Kubus, seine Außenfassade ist komplett mit Glühbirnen bestückt. In verschiedenen Farben erleuchten sie die Partynacht. Durch die Fenster fällt der Blick auf tanzende Menschen, Pärchen, eng umschlungen und wild zuckende Körper. Was bei Ödön von Horváth das Oktoberfest ist, ist in Hannover ein Nachtclub, sagt Regisseur Berger, eine Metapher fürs Sich-Vergnügen.
Innere Leere mit Rausch bekämpfen
"Menschen feiern, Menschen versuchen, Party zu machen. Menschen versuchen das, was ihnen im Kapitalismus übrig bleibt, die Freizeit, die Leere, die sie spüren, in ihrer Freizeit zu füllen", sagt der Regisseur. Das geschehe oft mit Alkohol, mit Drogen und auch mit einem gewissen Rausch von Musik und Licht.
"Da haben wir gesagt, das ist nicht zwangsläufig das Oktoberfest, sondern das kann ein Ort sein, der eben sowohl an einen Rummelplatz gemahnt, aber eben auch so etwas nachtclubartiges hat", erklärt Berger, der schon vor zwei Jahren in Mozarts "Così fan tutte" in Hannover den Fokus auf das Liebesleben moderner Paare legte.
Abhauen, weit weg von hier will Karoline. Sie arbeitet in einem schlecht laufenden Friseur-Salon, findet keine Erfüllung im Beruf und träumt vom sozialen Aufstieg. Ihr Freund Kasimir ist gerade arbeitslos geworden, ihm droht die Abschiebung. Ihre Liebe sei ein Ping-Pong-Spiel, sagt die Mezzosopranistin Sophia Euskirchen, die die Karoline darstellt.
Kasimir und Karoline reden aneinander vorbei
"Wenn Kasimir irgendwie blöd zu ihr ist, versucht sie, ihn eifersüchtig zu machen, damit er ihr wieder mehr Aufmerksamkeit und Liebe schenkt", sagt Euskirchen. Das aber geht schief: Sie will nur eine Entschuldigung, er regt sich auf und will sich nicht entschuldigen. Sie reden aneinander vorbei. "Dadurch schaukelt sich das so hoch, dass es sich in einen Teufelskreis schraubt", so die Mezzosopranistin.
"Die reine Liebe: Sie würde halten, wenn nur die Welt nicht wär´", singt die queere Juanita, die durch die Geschichte führt, gespielt vom US-amerikanischen Musical-Star Drew Sarich.
Die Musik hat Jherek Bischoff komponiert. Der US-Amerikaner ist in ganz unterschiedlichen Genres zu Hause - von der Filmmusik über Songs für Popstars bis zum BBC Symphony Orchestra. Nachtclub-Beats mischen sich mit Orchesterklängen, die Melodielinie eines Musical-Sängers geht in den breiten Chorklang über, Anteile von Oper und Musical im Wechsel.
Ein Genre-Mix, der viele Generationen begeistern könnte
"Wir haben natürlich eine super Mischung auf der Bühne stehen, wir haben den Chor auf der Bühne stehen. Und wir haben einen Schauspieler und zwei Musical-Darsteller:innen, die als Gäste dazu kommen", sagt Regisseur Berger. Diese Mischung macht es für ihn aus: "Das ist das Tolle an diesen großen Theatern, wie wir sie in Deutschland ja Gottseidank noch haben, dass verschiedene Gewerke, verschiedene Welten zusammenkommen und versuchen, etwas Gemeinsames zu schaffen."
In den Nachtclub in der Oper. Es scheint, als könnte "Kasimir und Karoline" in der Musical-Version von Hannover etwas für die ganze Familie werden. Ab Freitag (8. Dezember) ist es im Staatstheater zu erleben.