Ebru Tartıcı Borchers nominiert für Theaterpreis "Der Faust"
Die Regisseurin Ebru Tartıcı Borchers hat am Oldenburgischen Staatstheater das Stück "Amsterdam" von Maya Arad Yasur inszeniert. Damit ist sie für den Deutschen Theaterpreis "Der Faust" nominiert.
Das Stück spielt in einem Wohnhaus in Amsterdam. Eine junge, hochschwangere Geigerin aus Israel lebt dort. Eines Tages bekommt sie einen Brief unter der Tür hindurch geschoben - von der Stadtverwaltung - eine Gasrechnung über 13.700 Euro. Die enorm hohe Forderung stammt noch aus dem zweiten Weltkrieg und seitdem sind Mahngebühren angefallen. Was es damit auf sich hat, was während des Krieges in dem Haus in Amsterdam passiert ist und wie sich das bis heute auswirkt, erfährt das Publikum nach und nach.
Eine Geschichte, wie ein Puzzle
Manchmal scheint es sogar, als würden die Schauspielenden sich die Geschichte gerade auf der Bühne ausdenken. Sie zögern, als würden sie sich gemeinsam an die Vergangenheit erinnern. Es gibt immer wieder neue Perspektiven auf das Vergangene, sagt die Regisseurin Ebru Tartıcı Borchers. "Es ist ein Puzzle. Es wird uns nicht mit einem Anfang oder mit einem Ende erzählt. Es gibt keinen Anfang oder Ende. Wir sind die ganze Zeit in diesem Kreis drin."
Komplexe und ungewöhnliche Erzählweise
Der Text von "Amsterdam" habe sie sofort angesprochen, sagt Borchers. Ihr gefällt außerdem, dass die Autorin Maya Arad Yasur auf Regieanweisungen verzichtet. "Mich persönlich nerven immer die Regieanweisungen, auch wenn sie manchmal trotzdem wichtig sind" erklärt sie. "Dieses Stück besteht nur aus den Sätzen, die man auf der Bühne hört. Ich hatte aber oft das Gefühl, dass zwischen diesen Sätzen so viele Momente entstehen, die aber nicht nur Spielmomente sind, sondern die Reaktionen darauf." Und diese Reaktionen hat sie dann mit einer Choreografin szenisch umgesetzt. Sechs Schauspielerinnen und Schauspieler kommentieren den Text mit Gesten und Tanzchoreografien. Es entwickeln sich mehrere Geschichten parallel, bisweilen geraten sie chaotisch durcheinander - eine komplexe und ungewöhnliche Erzählweise - auch mit komischen Elementen.
Ähnliche Gedanken wie die Protagonistin
Ebru Tartıcı Borchers ist in der Türkei geboren und hat dort auch Schauspiel studiert. Dann ging sie zum Regiestudium nach Salzburg. Die Schauspielerei vermisse sie nicht. In der Regiearbeit geht die 33-Jährige ganz auf, sagt sie. Im Stück "Amsterdam" konnte sie sich auch selbst wiederfinden. "Mich hat persönlich angesprochen, dass die Protagonistin in Amsterdam eine Ausländerin ist. Sie kommt aus Israel und ist erst seit ein paar Jahren da. Oft beschäftigt sie sich nur damit, was die anderen Menschen gerade von ihr denken - an der Supermarktschlange oder im Park."
Keine "typische" Themenliste bedienen
Auch sie fühle sich manchmal zu sehr als Vertreterin ihres Geburtslandes gesehen oder aufgrund der Herkunft skeptisch beäugt. Manche erwarten regelrecht, dass sie Geschichten über die Türkei, oder Geschichten von sogenannten "Gastarbeitern" erzählt, sagt sie. Eine Art "typische" Themenliste möchte sie aber nicht bedienen, wenn sie am Theater ein Engagement annimmt. "Ich gehe nirgendwo hin, wo ich das Gefühl habe ich werde wegen meines türkischen Nachnamens eingeladen. Wenn erwartet wird, dass ich unbedingt irgendwas aus der Türkei mache, dann arbeite ich halt woanders." Viele gute türkische oder kurdische Autorinnen und Autoren seien zu unrecht wenig bekannt, betont sie. Diese möchte sie gern einmal übersetzen und auf die Bühne bringen.
Erfolg macht Mut
Dass das Stück "Amsterdam" so gut beim Publikum ankam und jetzt sogar für den Theaterpreis "Der Faust" nominiert ist, mache ihr Mut. "Es war nicht einfach, die Menschen dazu zu überreden. Es war nicht einfach, damit einzusteigen, aber ich habe immer ein bisschen Lust auf Risiko, wenn ich mich mit einem Stück beschäftige und dann war ich am Ende total happy, zu sehen, dass es sich gelohnt hat." Und das nächste Mal wird sie noch beherzter ein Risiko eingehen, sagt die Regisseurin.