Michael Maertens als Jedermann: "Bin wahnsinnig stolz drauf"
Bei den Salzburger Festspielen steht Michael Maertens in diesem Jahr als Jedermann auf der Bühne. Im Interview spricht der 59-jährige Hamburger über die nötige Bubenhaftigkeit für die Rolle und wie er sich inkognito zur Spielstätte schleicht.
Herr Maertens, ab Freitag stehen Sie in Salzburg als Jedermann auf der Bühne und reihen sich damit in eine lange Riege großer Vorgänger ein. Wie fühlen Sie sich?
Michael Maertens: Gut. Ich bin ein bisschen aufgeregt, aber positiv aufgeregt. Das nennt man glaube ich Lampenfieber. Die Vorfreude überwiegt die Nervosität wegen diesen Widrigkeiten, die es hier gibt: Ob das Spiel im Regen stattfindet, bei Gewitter oder bei Sonnenschein, das wissen wir ja noch nicht genau.
Wie war es denn, als Sie erfahren haben, dass Sie die Rolle kriegen - eine große Ehre oder erst einmal ein Schock?
Maertens: Ich dachte zuerst an einen Telefonstreich von Studio Braun oder die "Versteckte Kamera", denn ich hatte nicht mehr damit gerechnet, weil ich ja schon so alt bin. Zuerst tat ich so wie: Oh, da brauche ich Bedenkzeit, ob ich das jetzt mache in meinem hohen Alter… Dann habe ich aufgelegt - und 27 Sekunden später wieder angerufen. Ich wusste: Das mache ich, das ist eine wahnsinnige Ehre, die ich allein schon aus sportiven Gründen annehme. Ich freue mich sehr. Wenn man guckt, wer das alles schon gespielt hat, dann fällt man ja in Ohnmacht. Ich bin wahnsinnig stolz darauf, das gebe ich ehrlich zu.
Aber eine gewisse Bürde ist es natürlich schon, wenn man sich diese großen Namen vor Augen hält.
Maertens: Ich habe das Gefühl, die stehen alle hinter mir und schieben mich an. Was soll jetzt groß passieren? Ich habe noch nie von einem gehört, wo die Leute gesagt haben: Ach, war der schrecklich. Ich werde das schon irgendwie hinkriegen, da gehe ich jetzt mal von aus. Es wäre ja dumm von mir, wenn ich das jetzt versemmeln würde, wie man in Österreich sagt.
Haben Sie denn das Bedürfnis, die Rolle ganz anders anzulegen als andere Jedermann-Darsteller, die man schon kennt?
Maertens: Nein, das nicht. Aber ich habe das Bedürfnis, sie so persönlich wie möglich anzulegen. Ich versuche, die Figur an mich heranzuziehen und mir vorzustellen, wie ich damit umgehen würde, wenn ich so wohlhabend wäre, der Tod mich heimsuchen und mir noch ein, zwei Stunden schenken würde. Darum glaube ich, dass meine Darstellung auch ungewöhnlich wird, denn ich bin ja auch ein ungewöhnlicher Mensch.
Man kann sich vorstellen, dass gerade Burgschauspieler weite Teile des Textes ohnehin schon drauf haben. Wie geht man an so einen Text heran?
Maertens: Ich musste das schon lernen (lacht). Noch einmal zu meinem Alter: Das dauert auch ganz schön, bis man den drauf hat. Aber jetzt kann ich den Text. Hoffentlich sitzt er auch und geht nicht wieder weg. Aber man kann nicht davon ausgehen, dass wir Burgschauspieler neben unserer ganzen Arbeit noch vorsichtshalber die Rollen lernen, die eventuell auf uns zukommen. Das wäre zu viel verlangt.
Da Sie Ihr Alter schon zweimal angesprochen haben: Knapp 60 für einen Jedermann - ist das ungewöhnlich?
Maertens: Ich bin nach meinen Recherchen tatsächlich der älteste Jedermann, den es je gab. Kurt Jürgens war zwei Monate jünger, als er ihn das erste Mal gespielt hat. Peter Simonischek hat, glaube ich, auch jünger als ich angefangen, wurde dann aber auch älter als ich. Also: Ich darf das noch spielen. Im Text steht: Er ist bubenhaft. Dieses Bubenhafte, wenn ich das so sagen darf, habe ich mir eh ein bisschen bewahrt. Oder wie Max Reinhardt, der das ganze ja erfunden hat, gesagt hat: Schauspieler sind Menschen, die ihre Kindheit in die Tasche gesteckt haben und ihr Leben lang weiterspielen. Das habe ich mir eh auf die Fahnen geschrieben - und deshalb spielt das Alter nicht so eine große Rolle.
Haben Sie ein Ritual vor Premieren oder Aufführungen im Allgemeinen?
Maertens: Nein, habe ich eigentlich nicht. Aber in Salzburg habe ich ein tolles Ritual. Eigentlich ziehen wir uns in der Garderobe des Festspielhauses um und werden dann mit irgendwelchen blöden Audis zur Vorstellung gefahren, an den Zuschauern vorbei, damit die einen nicht belästigen können. Ich habe gesagt: Ich möchte mich direkt hinter der Bühne umziehen und will es dorthin inkognito schaffen. Das ist mir bisher auch gelungen. Ich bin mal gespannt, wie das ist, wenn die Zuschauer da sind, ob sie mich erwischen. Ich ziehe mich dann ganz betont leger an, habe eine Baseballkappe und eine Sonnenbrille auf, also eigentlich sehr auffällig. Ich sehe aus wie so ein blöder Schauspieler, der sich verkleidet hat. Aber ich versuche, da vorbeizukommen, ohne dass man mich erkennt - und bin gespannt, ob ich das schaffe.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.