Domina und Stadträtin Yulia Vershinina: "Schmerz kann befreiend sein"
Yulia Vershinina arbeitet als Domina - und sitzt als Politikerin im Stadtrat von Neuss. Bei "deep und deutlich" spricht sie über das Spiel mit der Macht, Grenzen in der Szene und die Reaktionen auf ihre Arbeit als NRW-Stadträtin.
"Menschen lassen sich Schmerzen zufügen, weil es ein High-Gefühl erzeugt. Man fühlt sich gereinigt und glücklich. Der Schmerz kann befreiend sein", erzählt Yulia Vershinina im "deep und deutlich"-Talk über ihre Arbeit.
Die studierte Kunsthistorikerin ist Domina. Vor allem Männer bezahlen dafür, bei der 32-Jährigen ihre Fantasien auszuleben. Den typischen Kunden, weder vom Alter noch Berufsstand, gebe es jedoch nicht. "Frauen sind Einhörner", berichtet Vershinina. "Ich hatte aber auch schon homosexuelle Männer als Fetischisten."
Yulia Vershinina gibt Einblicke in ihren Domina-Alltag
Auch sie selbst sei sadistisch veranlagt. Ihre Neigung entdeckte sie bereits in jungen Jahren - zum Unverständnis ihrer Familie. "Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ich spezielle Interessen habe. Ich habe versucht mich selbst zu fesseln. In den Augen meiner Eltern war ich seltsam, weil ich mythologische Wörterbücher unter meinem Kopfkissen hatte", so Vershinina, die nicht nur Einblicke in ihren Domina-Alltag gibt, sondern auch TV-Koch Tim Mälzer vor laufender Kamera in die Welt der Fesselkunst einweiht.
Grenzen im BDSM: "Es gab Wünsche, die zu krass waren"
Mit 21 Jahren stieg sie in die BDSM-Szene ein, lernte dort auch ihren heutigen Ehemann kennen und lieben. "Er hat kein Problem mit meinem Job. Ich nenne uns beide Latex-Enthusiasten", so Vershinina. Doch BDSM habe für sie auch klare Grenzen: "Es gab sicherlich Wünsche, die zu krass waren oder nicht meinen persönlichen Vorlieben entsprechen. Zum Beispiel Baby-Spiele. Die lehne ich aber nicht ab, weil ich glaube, dass es pädophile Menschen sind, sondern weil ich schon echte Babys nicht mag. Mit einem erwachsenen Baby kann ich noch weniger anfangen."
"Verletzend": Reaktionen auf ihre Position als NRW-Ratsfrau
Auch ihr zweiter Job sorgte bereits für Schlagzeilen: 2020 zog sie für "Die Partei" in den Neusser Stadtrat - und hat seitdem mit Vorurteilen zu kämpfen. "Der Bürgermeister hat zu mir gesagt, dass er es nicht zulassen wird, dass das Ehrenamt beschmutzt wird. Dass mir das direkt unterstellt wurde, fand ich sehr verletzend", so Vershinina, die sich für Bildung und Integration einsetzen möchte. "Auch meine Kollegen haben mit Misstrauen reagiert - aber eher wegen meiner Parteizugehörigkeit."