"Der Idiot" trifft "Schwanensee" in Lüneburg: Tanz am Abgrund
Am Theater Lüneburg hat Ballettdirektor Olaf Schmidt die Geschichte von Dostojewskis Roman "Der Idiot" mit der Musik von "Schwanensee" kombiniert. Herausgekommen ist eine Choreografie voller ungewöhnlicher Bewegungen. Am Sonnabend hatte "Dostojewski Idiot Schwanensee" Premiere.
Ganz in weiß gekleidet auf einer kargen Bühne zuckt ein Tänzer unkontrolliert mit seinen Armen, bricht zitternd zusammen. So lernt der Zuschauer den Titelhelden kennen: Fürst Myschkin, der unter Epilepsie leidet.
Spannender Stoff: "Der Idiot" von Fjodor Dostojewski
"Der Idiot" von Fjodor Dostojewski ist für Lüneburgs Ballettdirektor Olaf Schmidt ein spannender Stoff: "Fürst Myschkin wird von einem großen Teil der Gesellschaft als Idiot angesehen, weil er so grundgut ist und jedem Menschen die Wahrheit ins Gesicht sagt. Er versteht überhaupt nicht, warum alle Menschen in der Petersburger Gesellschaft lügen und betrügen und dem Geld hinterher sind."
Auf mehr als 1.000 Seiten beschreibt Dostojewski, wie dieser gute Mensch, dieser Idiot, auf eine kaputte, geldgierige Gesellschaft trifft. Dabei steht er zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen und muss sich mit einem Rivalen auseinandersetzen. Schmidt schafft es, diese verwinkelte Geschichte auf zwei Stunden Tanztheater zu komprimieren.
Ballettdirektor Olaf Schmidt: "Tanz kann mehr erzählen als Worte"
"Ich habe mindestens 10.000 Bewegungen choreografiert dafür", erzählt der Ballettdirektor. "Tanz ist etwas, was visuell und immer auch zwischen den Bewegungen erzählt. Ich denke, dass der Tanz viel mehr erzählen kann als es Worte können. Man sieht viel mehr, hat viel mehr Assoziationen und dadurch schafft es der Tanz viel komprimierter, etwas zu erzählen."
Man braucht keine Worte um zu verstehen, was beispielsweise den Kindern auf der Bühne widerfährt. Es sind Tänzer, ganz in unschuldigem Weiß gekleidet, die ausgelassen tanzen - bis ihre harten Bewegungen das Unheil zeigen, das sie erleben.
Bruch zwischen Tschaikowskis Musik und den Bewegungen
"In dem Roman ist die Kindheit für mich etwas sehr Wichtiges", erzählt Schmidt. "Die Figuren reden alle über ihre Kindheit. Sie haben alle in ihrem verkorksten Leben einen Moment in ihrer Kindheit, der sie hat so werden lassen, wie sie jetzt sind."
Ganz zentral bei dieser Inszenierung: Der Bruch zwischen der harmonischen, kraftvollen Musik von Tschaikowskis "Schwanensee" und den Bewegungen der Tänzer. Sie tanzen nicht lieblich und fließend, wie man es aus dem Ballett kennt, sondern mit ungewöhnlichen, sperrigen und harten Bewegungen. "Das Stück ist voll von seltsamen Bewegungen, und ich frage mich, was ich da choreografiert habe", so Schmidt. "Und dann merke ich: Ja, das ist die kaputte Gesellschaft, die ich da choreografiert habe, die in einem Affentempo in abgerissenen Bewegungen tanzt."
"Wir sehen, wohin uns Profitgier und Wachstum gebracht haben"
"Der Idiot" von Dostojewski ist vor mehr als 150 Jahren erschienen. Für Schmidt ist der Stoff aber aktueller denn je. "Es ist immer noch so: Wir haben uns mit unserer Gesellschaft in eine Situation manövriert, die uns an den Rand der Existenz bringt. Wir sehen, wohin uns die Profitgier und das Wachstum gebracht haben - und das hat Dostojewski in seinem Roman vorausgesehen."
Die Premiere am Lüneburger Theater war ausverkauft. Das Publikum war begeistert. "Musik und Tanz fand ich einfach unwiderstehlich", schwärmt ein Zuschauer danach. Eine Frau lobt: "Jede Tanz-Geste hatte so viele Möglichkeiten der Bedeutung, so viele Facetten." Und eine weitere Zuschauerin erzählt: "Es war wirklich sehr schön, wie die ganzen Emotionen dargestellt wurden."
"Der Idiot" trifft "Schwanensee" in Lüneburg: Tanz am Abgrund
Am Sonnabend hatte am Theater Lüneburg das Tanzstück "Dostojewski Idiot Schwanensee" von Olaf Schmidt Premiere.
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