Andy Warhol-Musical auf Kampnagel: Verschüttete Tomatensuppe
Der US-Star-Kinoregisseur Gus Van Sant hat sich beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel zum ersten Mal auf der Theaterbühne ausgetobt: Mit "Trouble", ein Musical über den Popart-Künstler Andy Warhol.
Die Scheinwerfer im K2 auf Kampnagel bohren sich ins Auge, im Gegenlicht steht ein junger Mann, der die Arme in den Himmel reckt. Ein anderer krönt ihn mit einer Perücke, schält ihn aus seinem spießigen Pullover: fertig! Lichtwechsel - und auf der Bühne steht: Andy Warhol!
"Trouble": Gus van Sants Popart-Muscial über die Ikone Andy Warhol
Andy Warhol, eigentlich Andrew Warhola, ist ein Kunstprodukt, eine Marke, die bis heute zieht: wasserstoffblonde Haare, die leise, feine Stimme, eine Polaroid-Kamera in der Hand. Der Filmregisseur Gus Van Sant erzählt die Geburt eines Genies - eines Genies, das mit dem Abmalen von Tomatensuppendosen begonnen hat. Das Publikum findet es interessant: "Es kommt ganz viel rüber über die Spontaneität, die in Andy Warhol steckte. Wen kannte man damals, auf welche Party ist man gegangen, war man schwul?", meint ein Besucher; "fröhlich, war ziemlich cool gemacht", finden zwei Zuschauerinnen.
Vielfalt New Yorks in bester Musical-Manier mit Songs von Gus van Sant
Die Truppe huscht zunächst als tuschelnd-turtelnde Passanten quer über die weiß ausgekleidete Bühne. Der Regisseur gibt sich sichtlich Mühe, das vielfältige Leben New Yorks einzufangen - in allerbester Musical-Manier. Die Story beginnt in den 50er-Jahren. Gus Van Sant, dessen Filme wie "My private Idaho" oder "Milk" brillant schwule, queere Perspektiven abbilden, will offenbar fragile Lebensformen einfangen. Der Schriftsteller Truman Capote trippelt im Seidenanzug vorbei; Andy, gespielt von Diogo Fernandes, ist ein schüchterner Spießer mit slowakischen Wurzeln.
Die Songs stammen vom Regisseur. Das sehr junge Ensemble hat er in Portugal gecastet, wo das Stück uraufgeführt wurde. Schön ist die Szene, in der Andrew - streng katholisch - in einer Kirche kniet und mit der Mutter Gottes über Pop Art fachsimpelt. Das hat Witz.
"Trouble" von Gus Van Sant: Oberflächlich und verwirrend
Allerdings: Was die Filme von Gus Van Sant so einzigartig macht - ihre lakonische Wildheit, die feine Erotik, Menschen hautnah zwischen Angst und Euphorie -, das kommt hier einfach nicht rüber. Schlimmer noch: Auf der schillernden Musical-Oberfläche rutscht der Abend aus. Das denken auch einige Besucherinnen und Besucher: "Ich fand es verwirrend. Es fehlte mir eine Geschichte", sagt eine Besucherin. "Es war sehr chaotisch und oberflächlich - das passte zu der Art der Musik", meint ein anderer Gast.
Wo ist das Wagnis, wo der brutale Charme dieser New Yorker Jahre? Der Dreck, die Drogen, der Sex? Hier ist alles erwartbar, ein Lexikon moderner Kunst zum Mitschreiben. Langweilig und prüde. Auch einige Zuschauerinnen und Zuschauer sehen das so: "Ich bin ein bisschen verhalten. Ich war nicht ganz so begeistert." und "Ich hätte gedacht, das wäre von der Inszenierung filmischer, weil es ein Filmregisseur ist". Doch nicht alle sehen das so: "Ich fand es sehr cool, gut gespielt. Das Bühnenbild war sehr schön", meint eine Besucherin.
Sympathisches Ensemble mit artiger Inszenierung auf Kampnagel
Das sympathische und mit viel Energie spielende Ensemble hastet von einer biografischen Insel zur nächsten, vom ersten Siebdruck und einem Fernsehauftritt zum Attentat 1968. Diese artige Inszenierung fängt an keinem Punkt die Kraft von Warhols Kunst ein, die auf der Kopie des Gewöhnlichen, auf der Serie basiert.
Ein Musical wie dieses verdoppelt nur das Gewöhnliche, macht es banal. Streckenweise erinnert der Abend an eine gut gemachte Schulaufführung. Im Einerlei der geträllerten Leidenschaft bleibt der Abend insgesamt leider: verschüttete Tomatensuppe.
Andy Warhol-Musical auf Kampnagel: Verschüttete Tomatensuppe
Regisseur Gus Van Sant hat sich beim Internationalen Sommerfestival zum ersten Mal auf der Theaterbühne ausgetobt. Heraus kam: "Trouble".
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Kampnagel - K2
Jarrestraße 20
22303 Hamburg - Preis:
- ab 14 Euro, ermäßigt ab 9 Euro