"Trophäe": Radikaler, wuchtiger Afrika-Roman
Gaea Schoeters' "Trophäe" ist ein erschütternder, glänzend geschriebener und von Lisa Mensing ebenso glänzend ins Deutsche übersetzter Roman. Er gehört sicher zu den wichtigen Neuerscheinungen dieses Frühjahrs.
Auch Menschen, die mit dem Thema "Jagd" nichts zu tun haben (möchten), werden "Trophäe" fasziniert lesen. Das sei an dieser Stelle behauptet. Denn wie Gaea Schoeters davon erzählt, wie sie ihr Lesepublikum auf den afrikanischen Kontinent lockt und dort an der Seite des steinreichen amerikanischen Börsenspekulanten Hunter White auf die Jagd schickt, ist absolut bemerkenswert. Hunter White, der weiße Jäger, nicht zufällig ein sprechender Name, hat eine exorbitant hohe Summe gezahlt, um ein Spitzmaulnashorn schießen zu dürfen, die vorläufige Krönung seiner "Trophäensammlung".
Hunter hat sich seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt wie jetzt: Sein ganzer Körper sehnt den Moment herbei, in dem er (...) Auge in Auge mit einem der gefährlichsten Tiere der Wildnis stehen wird, sich vollkommen darüber im Klaren, mit einer winzigen Bewegung seines Fingers das Leben des Kolosses beenden zu können. (...) Denn nur er, Hunter, und niemand anderes, steht ganz oben in der Nahrungskette. Leseprobe
Aus der Tier- wird eine Menschenjagd
Hunter ist ein erfahrener Jäger, einer der "Guten", denn mit dem Geld, das er für den Abschuss der dafür frei gegebenen Tiere zahlt, trägt er gleichzeitig entscheidend zum Erhalt der Art bei. Doch Hunter wird dieses Mal um seine "Trophäe" gebracht: Wilderer kommen ihm zuvor und schlachten das Tier ab. Eine unstillbare Unruhe des Jägers ist die Folge.
Das Adrenalin, das sich während der Jagd angesammelt hat, die angestaute Anspannung, die sich in einem Schuss hätte entladen müssen, hat keinen Weg nach draußen gefunden und vergiftet sein Blut. Leseprobe
Auch so ist zu erklären, dass aus der Tier- eine Menschenjagd wird. Radikal und mit erschütternder Konsequenz führt Schoeters hier den Grundgedanken weiter, dass der Abschuss eines einzelnen "Tieres" für den Erhalt der Art von Vorteil sein kann. Hunter wird ein Junge als Beute angeboten, aus dem Stamme derer, die von den Kolonialherren einst vertrieben wurden und die nun ums Überleben kämpfen. Im Gegenzug soll er einem anderen, begabteren Jungen ein Studium in Amerika ermöglichen. Wird der Jäger auf den schockierenden "Deal" eingehen und, als der Pakt besiegelt ist, tatsächlich auf einen Menschen schießen? Hier wird der Roman zum Krimi, zum Pageturner.
Gaea Schoeters hat vor allem die Frage bewegt, "was uns das auch erzählt über den Blick, mit dem wir Afrika begegnen. Afrika, das es so gar nicht gibt, das sind ganz unterschiedliche Länder. Dass man das immer noch als so einen Kontinent, einen Vergnügungspark sieht, das sagt ganz viel über unseren 'white guys', unseren postkolonialen Blick, mit dem wir Afrika anschauen."
"Trophäe": Eine der wichtigen Neuerscheinungen des Frühjahrs
"Trophäe" ist ein erschütternder, glänzend geschriebener und von Lisa Mensing ebenso glänzend ins Deutsche übersetzter Roman. Schoeters meidet Stereotype - auch der "weiße Jäger" wird in all seiner Ambivalenz gezeigt - und beschreibt mit schmerzhafter Konsequenz ein Denken, das bei genauerer Betrachtung noch heute durchaus üblich ist. Die Autorin prangert an, wonach manche - als Touristen und/oder Jäger - auf dem afrikanischen Kontinent weiterhin suchen:
Das hier, begreift er, ist das, wonach er immer so sehr verlangt hat: das echte, wilde Afrika. In all seiner Schönheit und all seiner Grausamkeit. Leseprobe
Am Ende gelingt Gaea Schoeters sogar noch eine weitere, bittere Überraschung. "Trophäe" ist schmerzhaft zu lesen, aber ein Roman, der sicherlich zu den wichtigen Neuerscheinungen dieses Frühjahrs zählt.
Trophäe
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing
- Verlag:
- Zsolnay
- Bestellnummer:
- 978-3-552-07388-3
- Preis:
- 24 €