"Strudia": Buch über Angststörungen von Hamburger Musiker

Stand: 06.06.2024 17:23 Uhr

Der Hamburger Musiker Wolfgang Müller hat mit "Strudia" ein Buch über seine Angst geschrieben, wie er damit umgeht und was ihm geholfen hat.

von Stephan Bartels

Ob gegen die Angst ein wirksames Kraut gewachsen ist, darüber streiten Schulmediziner und Nauturheilkundler schon lange. Jetzt hat der Hamburger Musiker Wolfgang Müller ein Buch über seine Angst geschrieben. Und so hört sich sein Ausflug in die Welt der Selbsterfahrungsliteratur an - seinem ersten Buch:

"Okay, wie fühlst du dich?" Ich zuckte mit den Schultern. "Na ja", antwortete ich. Sie blieb geduldig. "Was wäre denn das erste Wort, das dir in den Sinn kommt?" Ich blickte aus dem Fenster. In den letzten Tagen hatte ich mehrere Panikattacken gehabt, und auch sonst war mein Angstniveau relativ hoch. Das Gedankenkarussell drehte fröhlich seine Runden, und ich fühlte mich erschöpft, ein bisschen wie auf der Flucht. Das Wort "gejagt" schoss mir durch den Kopf, aber meine Güte, sollte ich wirklich gleich mit so einem Klischee um die Ecke kommen? Zitat aus dem Buch "Strudia"

Wolfgang Müller leidet unter Angststörungen und hat vieles ausprobiert

Wolfgang Müller ist eigentlich ein begnadeter Songwriter, der seinen und anderer Leute Seelenzustände in Poesie übersetzen kann, wie kaum ein Zweiter in diesem Land. Er hat seit Jahrzehnten aber auch Angst. Und die verfolgt den 49-Jährigen hartnäckig. Es ist nicht die gute Angst, die uns vor Säbelzahntigern und Schlägereien warnt und fliehen lässt. Sondern eine massive Angststörung. Aber Müller hat eine wirksame Methode entwickelt, um mit ihr umzugehen - Strudia eben.

Die Angst von Wolfgang Müller klingt wie der Song "Meer voller Quallen". Sie sitzt tief, greift mit ihren Tentakeln nach ihm. Darüber Lieder zu machen, hilft nur ein bisschen, wenn überhaupt. Aber er hat fast sein ganzes Leben lang auch mit anderen Mitteln versucht, sie loszuwerden. "Ich habe wie viele andere, die eine Angststörung haben, alles Mögliche ausprobiert: Ratgeber gelesen, Körperarbeit, Gesprächstherapie, den ganzen Kram. Das hat punktuell irgendwas Gutes gemacht, aber ich hatte nie das Gefühl: Jetzt hab ich's im Griff. Wenn ich dann wieder massiv in die Angststörung gefallen bin, dann hat die Angst eigentlich immer alles weggespült."

Visualisierung: Methode, die Müller gegen Angststörung hilft

Es war seine Frau, die dagegen etwas entwickelt hat, erst für ihn, dann mit ihm. Die Methode basiert im Grunde auf Visualisierung, nichts Neues erst einmal, aber Anna und Wolfgang haben dieser Technik drei Begriffe zugefügt: Strukturierte disziplinierte Abgrenzung. "Ich habe in einem spackigen Anfall gesagt: Dann müssen wir das Strudia nennen." Erstens: Suche dir genau eine Sache, die dir hilft und dir im Fall einer Panikattacke Struktur gibt. Zweitens: Diskutiere nicht mit dir darüber, sondern gehe diszipliniert in diese Sache, wie du ohne nachzudenken auch joggen oder ins Gym gehst. Drittens: "Abgrenzung ist das, worum es geht. Das ist der Kern des Ganzen."

Ein "Schweizer Taschenmesser der Gefühlssteuerung."

Bei Müller ist die Angst neuerdings drei Meter groß, hat ein grünes Fell und heißt Johnny. Wenn sich eine Angstattacke ankündigt, beschwört er Johnny herauf und stellt sich vor, dass dieses Sesamstraßen-artige Monster ihn mit seinen Ängsten nervt. "Da denke ich: Alter, nu halt doch mal die Backen. Ich hab es schon tausendmal gehört. Und dann stelle ich mir vor, dass wieder irgendwas auf mich einplappert und erzählt, wie furchtbar alles ist. Dann kann ich innerlich aufstehen und weggehen und sagen: Ey, rede weiter, alles gut, aber ich habe was zu tun." Jahre der Therapie haben das nicht geschafft, sagt er, was er in Bilderarbeiten in einer Stunde geschafft habe. "Das ist total irre. Es ist einfach ein wahnsinnig mächtiges Werkzeug. Das ist wie das Schweizer Taschenmesser der Gefühlssteuerung."

"Strudia": Strukturierte disziplinierte Abgrenzung

Strudia gut - alles gut? Nein, sagt Wolfgang Müller. Erstmal muss man dranbleiben und diese Kopftechnik trainieren wie einen Muskel, das ist schwer genug. Und dann geht es auch gar nicht darum, von dem, was einen quält, rückstandslos befreit zu werden. "Man kann, meiner Meinung nach die Angst nicht besiegen. Man hat Ängste und viele davon sind berechtigt. Bei Strudia geht es nicht darum, keine Angst zu haben, sondern es geht darum, wie man Angst hat." Es gehe um die Form, was man von der Angst alles mit sich machen lässt. "Es ist wichtig, dass man der Herr in seinem eigenen Haus ist und nicht die Angst einen steuert, sondern man die Angst steuert."

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