"Schloß Gripsholm" neu entdecken
Im Juli 1928 reiste Kurt Tucholsky zum ersten Mal nach Schweden und schrieb nach Deutschland: "Ich erhole mir". Ein Jahr später verbrachte er mit seiner Freundin Lisa Matthias gleich mehrere Monate am Mälarsee – in der Nähe von Schloss Gripsholm. "Schloß Gripsholm" so heißt auch die bekannteste und schönste Liebesgeschichte von Tucholsky: In immer wieder neuen Ausgaben ist sie im Laufe der Jahrzehnte erschienen. Jetzt hat der Karikaturist und Zeichner Hans Traxler "Schloß Gripsholm" neu illustriert – Katja Weise stellt das bildschöne Buch vor:
"Mit geschlossenen Augen sitzt der nicht mehr ganz schlanke, dunkelhaarige Mann leicht gebeugt am Klavier, daneben eine blonde Frau mit kessem Pagenkopf. Sie schaut verliebt und schmiegt sich eng an ihn. Gemeinsam spielen sie" - Rund herum noch ein paar Striche – und fertig ist es, das Musikzimmer von Schloß Gripsholm. Hans Traxler illustriert mit leichter Hand und viel Humor. Scheinbar mühelos dringt er ins Herz von Tucholskys berühmter Sommergeschichte vor – dabei, so Traxler, sei Zeichnen für ihn Hochleistungssport.
"Es gibt von vielen Blättern viele Versionen, ein Gefühl des Ungenügens verlässt mich nie, erst wenn das Buch ein Jahr oder so auf dem Markt ist und ich es mir nochmal anschau` denke ich, gar nicht so übel." (Zitat)
Bilder, die ergänzen und weiter erzählen
Hans Traxler ist also auch ein Meister der Untertreibung: Seine Bilder ergänzen Tucholskys Text nämlich nicht nur aufs Feinste – sie erzählen ihn auch auf wunderbare Weise weiter. Allein: Die Prinzessin, Lydia, mit der der Ich-Erzähler Ende der 20er Jahre wunderbar verliebte Monate in Schweden verbringt: Ob im roten Reisemantel, kurzen Röckchen oder Evakostüm – diese blonde Frau mit dem widerspenstigen Schwung im kinnkurzen Haar hat nicht nur das Bodenständige und das Kapriziöse, das Tucholskys Figur so unwiderstehlich macht: Traxler schenkt der Figur dazu mit zartem Strich eine Mimik, die auf dem ohnehin schon wunderbaren Text sitzt wie das Tüpfelchen auf dem i:
"Alle Frauen sind pedantisch, sagte ich. Außer dir, sagte Lydia. Ich bin keine Frau. Aber pedantisch. Erlaube mal, sagte ich, hier liegt ein logischer Fehler vor. Es ist genauestens zu unterscheiden, ob pro primo…. Gib´ mal ´n Kuß auf Lydia, sagte die Dame." (Buchzitat)
Und dann sieht man bei Traxler kaum mehr als die roten Lippen und das blonde Haar. Der Leser freut sich: Ich wünsche mir nicht unbedingt das brüllende Gelächter, der Betrachter soll sich hinterher vor allem besser, heiterer fühlen, vielleicht auch denken, da habe ich was gelernt, das stimmt doch eigentlich", meint Traxler.
Und illustriert Tucholskys leichte, mit spitzer Feder und viel Humor geschriebene Liebesgeschichte konsequent mit ironischem Strich. Gleichzeitig entführen seine Bilder die Leser in die Zeit um 1930, als Tucholsky "Schloß Gripsholm" schrieb. Der Ich-Erzähler, so wie Traxler ihn zeichnet, erinnert mit seinen dunklen Haaren und dem eckigen Kinn stark an Tucholsky selbst, und die Kleider der Prinzessin stammen ebenfalls eindeutig aus den 20er Jahren. Wie auch das Gouvernanten-Gewand der unförmigen Frau Adriani, die in der Nähe von Schloß Gripsholm mit harter Hand ein Kinderheim leitet. Hier setzt Traxler sogar augenzwinkernd quasi noch ein zweites Tüpfelchen auf das i. Wenn Tucholsky über dieses Frauenungetüm schreibt: "Sie begann zu weinen. Die Prinzessin starrte sie an, als hätte sie ein exotisches Fabeltier vor sich." (Buchzitat)
Entdecken und neu entdecken
Dann malt Traxler die Adriani als weinendes Krokodil im perfekt sitzenden Kleid – besser kann man den von Tucholsky hier gewählten Begriff des Fabelwesens und die hier unaufrichtig vergossenen Krokodiltränen bildlich kaum auf den Punkt bringen. Viel gibt es zu entdecken auf den rund 60 Bildern – verschüchterte kleine Mädchen mit Riesenschleifen im Haar, erotische Frauen im Pyjama, verliebte Männer mit Hundeblick oder geschlossenen Augen – und das alles im sonnigen Schweden. Schöner geht´s kaum, deshalb schaut man das Buch am besten gleich noch mal von vorne an:
"Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele. Der Himmel war weiß gefleckt; wenn man von der Sonne recht schön angebraten war, kam eine Wolke, ein leichter Wind lief daher, und es wurde ein wenig kühl. Ein Hund trottete über das Gras, dahinten. Was ist das für einer? fragte ich. Das ist ein Bulldackel, sagte die Prinzessin. Und dann ließen wir wieder den Wind über uns hingehen und sagten gar nichts. Das ist schön, mit jemand schweigen zu können." (Buchzitat)
Schloß Gripsholm
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Roman, Bildband
- Verlag:
- Edition Büchergilde
- Bestellnummer:
- 978
- Preis:
- 24 €