Roman "Eve": Die Schattenseiten Hollywoods in den 1930er-Jahren
"Eve" von Amor Towles führt uns in die - nicht immer glamouröse - Filmwelt der 1930er-Jahre. Leider entwickelt die Geschichte keinen Sog, sondern entpuppt sich als eine etwas langatmige Episoden-Erzählung.
Fast filmisch beginnt dieser Roman: Ein älterer Mann und eine junge Frau begegnen sich in einem Zug - auf dem Weg von New York nach Los Angeles. Im Jahr 1938 ist das eine tagelange Reise. Ganz ungezwungen kommen die beiden schließlich ins Gespräch:
Dann streckte sie ihm ihre Hand über den Tisch aus. "Ich heiße Evelyn Ross." Sie hatte einen guten Handgriff. "Charlie Granger." Sie nahm eine frische Zigarette aus der Packung und zündete sie sich an. "Und was ist ihre Geschichte, Charlie?" Leseprobe
Als Leser*in lernt man Eve im ersten Drittel des Buchs aus der Perspektive der anderen Figuren kennen - unter anderem der von Charlie, einem ehemaligen Polizisten, und der Schauspielerin Olivia de Havilland.
Durchbruch mit "Vom Winde verweht"
In Hollywood angekommen begegnen sich Eve und Olivia auf der Toilette eines Restaurants und freunden sich schnell an. Olivia hat schon einige Rollen ergattert, leidet aber darunter, dass ihr Leben von den Bossen eines Filmstudios bestimmt wird. Sie ist auf dem Weg, ein Star zu werden, dreht gerade mit Regisseur George Cukor "Vom Winde verweht":
"Wahrscheinlich wird es einer der größten Filme des Jahres, wenn nicht im ganzen Jahrzehnt, und Cukor findet, ich sei genau richtig für eine der Hauptrollen - eine junge Frau, die reizend und aufrichtig ist, aber auch widerstandsfähig und entschlossen." Leseprobe
Für ihre Darstellung der Melanie Hamilton wird Olivia de Havilland schließlich für einen Oscar nominiert.
Ein handfester Erpressungsversuch
So weit, so historisch wahr: Amor Towles mischt hier geschickt Fakten und Fiktion. Ein "historischer Roman" ist sein Buch aber trotzdem nicht. In seiner Geschichte droht das saubere, unschuldige Image der Schauspielerin befleckt zu werden. Und dafür sorgt ein Umschlag, der Olivia in ihrem Hotel von einem Boten übergeben wird:
In dem Umschlag waren zwei Fotos und eine handgeschriebene Notiz. Es waren Hochglanz-Schwarz-Weiß-Fotos, und sie zeigten Olivia nackt. (…) Als Eve die Mitteilung las - eine Geldforderung und die Ansage, dass ein Anruf folgen würde - spürte sie, dass ihr heiß im Gesicht wurde und ihre Hand zu zittern begann. Leseprobe
Ein handfester Erpressungsversuch. Aber Eve nimmt sich der Sache an, will ihre Freundin vor schlechten Schlagzeilen bewahren.
Unübersichtliche, langweilige Handlung
Das hätte im zweiten Teil des Romans eine flotte Geschichte werden können. Aber Amor Towles bleibt seinem Stilmittel treu und erzählt die Geschichte aus vielen verschiedenen Perspektiven. Dadurch wird die Handlung aber ziemlich unübersichtlich und wirkt wie künstlich in die Länge gezogen. Jede Nebenfigur wird bis ins Detail auserzählt. Das langweilt leider enorm. Und Eve als starke, unabhängige Frauenfigur kommt dadurch fast ein bisschen unter die Räder. Das ist schade! Vor allem weil Towles so ein großartiger Erzähler sein kann - wie er mit seinem Roman "Ein Gentlemen in Moskau" gezeigt hat.
Unterm Strich erzählt "Eve" von den Schattenseiten der Traumfabrik Hollywood in den 1930er-Jahren. Nur leider entwickelt die Geschichte keinen Sog wie Blockbuster-Filme, sondern entpuppt sich als eine etwas langatmige Episoden-Erzählung. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Eve
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel
- Verlag:
- Hanser
- Bestellnummer:
- 978-3-446-28125-7
- Preis:
- 24 €