Roman "Die Farbe des Feuers": Eine Familie voller Geheimnisse
Jakob Augsteins zweiter Roman lebt von seinen gut gezeichneten Figuren. Wäre die Sprache ein bisschen weniger blumig, wäre "Die Farbe des Feuers" ein großartiges und nicht nur gutes Buch.
Rebecca musste gespürt haben, dass Swann kam. Sonst wäre sie ihr noch nicht mitten in der Nacht auf dem Feldweg entgegengelaufen. (…) so sah Swann sie, als sie in La Garrigue ankam. Sie nahmen sich in den Arm. Sie sprachen nicht, sondern hielten sich nur fest. Leseprobe
La Garrigue, das ist das Anwesen eines reichen deutschen Geschäftsmannes nahe der Cevennen im französischen Zentralmassiv gelegen. Seine Tochter Rebecca wird hier heiraten. Ihre alte Freundin Swann kommt zur Hochzeit. Rebecca und Swann, das war mal mehr als Freundschaft, das war Liebe. Aber Rebecca heiratet nun einen Mann. Was sie darüber wirklich denkt, kann Swann nicht sagen, so wie viele Figuren in diesem Roman runterschlucken, was sie wirklich denken - und alles über sich ergehen lassen.
Jakob Augstein: "Das Riskanteste, was ich jemals gemacht habe"
"Ich habe immer schon geglaubt, dass die Vorstellung, dass wir Herr dessen sind, was wir tun, eine notwendige Vorstellung und ein Irrtum ist. Wir müssen uns das glauben, sonst bricht alles zusammen. Aber ich glaube, das ist Quark", sagt Jakob Augstein. Zum zweiten Mal wagt er nun einen Roman. Fiktion schreiben, das habe er, einer der bekanntesten deutschen Journalisten, lange vor sich hergeschoben: "Das erste Buch zu schreiben war sicherlich das Schwierigste, Anstrengendste und Riskanteste, was ich jemals gemacht habe. Ich habe mich vorher nicht getraut, das bereue ich."
Er muss sich nicht fürchten. "Die Farbe des Feuers" ist ein guter Roman. Im Grunde ist es die Geschichte einer Familie rund um diese durchaus fragwürdige Hochzeit. Ob Rebecca ihren Bräutigam tatsächlich mehr liebt als ihre alte Freundin Swann - man hat als Leser so seine Zweifel. Auch die Menschen rund um die Familie, so wie Gärtner Sami, werden skizziert. Er war und ist immer noch, ebenfalls, in Rebecca verliebt. Und ringt mit seinem Glauben und der Liebe.
Die Erinnerung war ihm kostbar, und gleichzeitig schmerzte sie ihn, und zwar umso mehr, je mehr Zeit verging. Denn er fand, dass er Schuld auf sich geladen hatte, und je länger sie auf ihm lastete, desto schwerer wog sie. Aber nun würde Rebecca einen anderen Mann heiraten, und es würde für ihn keine Erlösung mehr geben. Leseprobe
Schmalzige Sprache, spannende Figuren
Die Sprache des Romans ist mitunter schmalzig, die Naturbeschreibungen, die Dialoge, das ist immer am Rande des Klischees. Und doch legt man das Buch nicht genervt zur Seite, sondern bleibt dran. Die Figuren sind spannend, voller Widersprüche, Rebecca, Sami, Swann.
Ein sehr wichtiges Motiv, das sich durchzieht, ist der Brand von Notre-Dame. Wer war es? Was soll nun werden? Alle Figuren schauen mit Entsetzen und Staunen auf dieses Feuer, wie es damals auch ihr Erfinder getan hat: "Mich hat der Brand von Notre-Dame mehr erschüttert als der Einsturz der Hochhäuser von New York. Ich fand das ein spirituell tatsächlich bedeutendes Ereignis. Es hat mich wirklich erschüttert. Während ich die Katastrophe von New York für eine menschliche und vor allem politische Katastrophe gehalten habe."
"Die Farbe des Feuers" erinnert stellenweise an Urlaubsgeschichten mit düsterem Unterbau - "Nur die Sonne war Zeuge", "Swimming Pool" -, aber ganz so dunkel liest es sich nicht. Es ist dennoch keine Strandlektüre. Irgendwann können die Figuren nicht mehr an sich halten und es wird Tacheles geredet. Jakob Augsteins zweiter Roman lebt von seinen gut gezeichneten Figuren. Wäre die Sprache ein bisschen weniger blumig, wäre "Die Farbe des Feuers" ein großartiges und nicht nur gutes Buch.
Die Farbe des Feuers
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Aufbau
- Bestellnummer:
- 978-3-351-04223-3
- Preis:
- 24 €