"Rauch und Schall": Roman über das Alltagsleben im Hause Goethe
Der neue Roman von Charles Lewinsky führt uns ins späte 18. Jahrhundert. "Rauch und Schall" erzählt humorvoll die - nicht überlieferte - Geschichte eines Burn-outs des Weimarer Dichterfürsten.
Wenn das jemand in Weimar merkt! Goethe hat eine ausgewachsene, eine anhaltende Schreibkrise. Noch nicht mal einfache Auftragsverse - wie ein Festgedicht für Herzogin Luise - bringt er zustande. Von der Arbeit an seinem "Faust" ganz zu schweigen.
Zunächst redet er sich ein, dass seine vielen Aufgaben bei Hofe - die Theaterleitung, die Ministerämter und so weiter - ihm im Wege stehen. Er sucht - vergeblich - medizinischen Rat. Und legt sich schließlich Äpfel in die Schreibtischschublade, damit der Geruch ihn inspiriere. Bei Schiller klappt das doch auch!
Als er eines Morgens wieder in sein Arbeitszimmer schlich wie ein Kettensträfling in den Steinbruch, schien ihm die Atmosphäre dort plötzlich angenehmer zu sein, er atmete auch freier und meinte schon, Schillers Rezept habe seine Wirkung doch getan. Leseprobe
Bei Goethe liegen die Nerven blank
Weit gefehlt. Dass er sich besser fühlt, liegt daran, dass Christiane - sein Bettschatz - die Äpfel wieder entfernt hat. Der Gestank war nicht auszuhalten und mit den fauligen Früchten sind eben auch Goethes Kopfschmerzen und Übelkeitsgefühle verschwunden. Christiane - noch Vulpius - erträgt die Launen des Geliebten und versucht, mit ihren Mitteln dessen Schreibblockade zu lösen: mit gutem Essen und Liebesdiensten.
Sie lächelte ihn an, und um das Versprechen, das in diesem Lächeln lag, zu verstehen, brauchte er keinen Übersetzer. Mit einer Kopfbewegung forderte sie ihn auf, vom Zuschauer zum Acteur zu werden, er sprang aus dem Bett, ging auf sie zu - und in diesem Augenblick klopfte jemand an die Tür und eine Stimme rief "Seid ihr da drin?" Leseprobe
Ausgerechnet Christianes Bruder August Vulpius, dieser devote Hofbibliothekar mit schriftstellerischen Ambitionen, wagt es zu stören.
Goethe konnte August noch nie leiden! Leseprobe
Ständig sucht August Rat beim Geheimen Rath, fragt den Dichtergott nach "Schreib-Tipps". Goethe demütigt den "schwachbrüstigen Polygraphen", den "horribilis scribifax" in Grund und Boden. Denn wie kann einer, dem das Schreiben so leicht von der Feder geht wie diesem Vulpius, ein Dichter sein?! Talent habe der sicher nicht. August lässt nicht locker - und macht Goethe, bei dem die Nerven blank liegen, ein Angebot:
Wenn es Eurer Exzellenz dienlich ist, sagte Vulpius, würde ich mich anerbieten, die notwendige Anzahl Verse bis morgen zu verfassen. Leseprobe
"Rauch und Schall": Schnurre über Goethes Burn-out
Charles Lewinsky erzählt satirisch-süffisant von diesem mephistophelischen Pakt, hat spürbar Spaß an der Vorstellung, wie der große Goethe sich windet, bis er endlich zustimmt. Was daraus alles folgt? Nur so viel sei verraten: Es gibt noch eine weitere geheime Übereinkunft. Und schließlich einen fulminanten Handlungs-Twist, an dessen Ende die beiden Geheimnisträger quitt sind.
"Rauch und Schall" ist eine Schnurre, in der der - nicht überlieferte - Burnout des Weimarer Dichterfürsten im Mittelpunkt steht. Aber in der es auch um Fragen geht wie: Was ist Literatur, worum geht es beim Schreiben? Und jenseits der absurd-komischen Episoden nimmt Lewinsky uns mit viel Detailwissen hinein ins Alltagsleben im Hause Goethe. Gesprungene Bettfedern inklusive.
Rauch und Schall
- Seitenzahl:
- 304 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Verlag:
- Diogenes
- Bestellnummer:
- 978-3-257-07259-4
- Preis:
- 25 €