Neue Jugendromane: Spannende Abenteuer und viel Science-Fiction
NDR Kultur stellt drei neue Kinder- und Jugendbücher vor: "Die Bucht des Blauen Oktopus" von Antonia Michaelis, "Die letzte Erzählerin" von Donna Barba Higuera und "Godland" von Martin Schäuble.
"Die Bucht des Blauen Oktopus" von Antonia Michaelis
"Es ist nunmal so, dass dies mein 80ster Geburtstag ist (…) Ich habe einen Wunsch, ich möchte im Sommer noch einmal auf die kleine griechische Insel fahren, auf der mein Onkel lebte, und auf der ich meine Sommer verbracht habe, bis ich zwölf war. Und zwar will ich mit Euch dort hin. Wird Zeit, dass Kiki ihre griechischen Wurzeln kennenlernt." Leseprobe
Tante Doras Wunsch ist unmissverständlich - und die elfjährige Kiki, mit dem Image der verträumten Wasserratte der Familie, erlebt dank Tante Dora einen magischen Sommer. Und das, obwohl ihre Mama meistens mit den kleinen Zwillingsgeschwistern beschäftigt ist und gar keine Lust auf diesen Urlaub hat. Nach kaum drei Seiten holt die Geschichte in kurzen und mitten aus dem Alltag gegriffenen Sätzen alle ab, die eigentlich noch Kind sind, aber bereits ahnen, dass sie nun bald die "Großen" sein müssen.
Mama stand hinter mir. "Mein Gott", sagte sie, "wie ich wünschte, diese Reise wäre schon vorbei." "Aber es ist doch schön hier", sagte ich und drehte mich um und sah sie an. Sie hatte Augenringe, wie immer in letzter Zeit. (…) "Ich hoffe, wir haben genug Sonnencreme für die Zwillinge dabei (…) und habe ich die Hüte eingepackt?" "Hast Du", sagte ich. Und dann sah ich den Delfin springen. Mein Herz sprang mit ihm. Leseprobe
"Die Bucht des Blauen Oktopus" will viel: die Schere zwischen Arm und Reich und Nord und Süd aufzeigen, Patchworkfamilienchaos und die generationsübergreifende Verbindung zwischen sehr alt und sehr jung beispielhaft erzählen. Aber Antonia Michaelis findet eine Sprache, die Erwachsene daran erinnert, wie sich Sommer früher mal angefühlt hat. Sie nimmt junge Leserinnen und Leser mit auf eine Reise, auf der Realität und Fantasie im wahrsten Sinne verschwimmen - im Blau des Meeres und der Umarmung eines Oktopuses.
"Die letzte Erzählerin" von Donna Barba Higuera
Die Welt ist nach einem Kometeneinschlag dem Untergang geweiht. Die 13-jährige Heldin des Buches, Petra Peña, plus Eltern und Bruder gehören zu den wenigen Glücklichen, die es auf eines der Arche-Schiffe in Richtung Erde 2.0 schaffen. Auch wenn Petra ihrer zurückbleibenden, Geschichten erzählenden Großmutter extrem nachtrauert, nimmt Petra das Vermächtnis mit, selbst Geschichtenerzählerin werden zu wollen. Doch dazwischen liegen erst einmal fast 400 Jahre Kryo-Schlaf.
Die Info-Kugel sendet die immer gleiche Nachricht in meinen Kopf: "Ich bin Zeta-1. Expertin für Botanik und Geologie. Ich bin hier, um dem Kollektiv zu dienen." Als die Info-Kugel aus meinem Kopf rausrutscht, habe ich das Gefühl, mir werden glühend heiße Kohlen aus dem Nacken entfernt. (...) Schemenhafte Gestalten wuseln umher. (...) "Leg Zeta-1 auf den Tisch." Das hier ist ganz falsch. Mom und Dad sollten bei mir sein. Leseprobe
Totalitäre Ideologien, die scheinbare Gleichheit für alle propagieren und die Menschheitsgeschichte neu schreiben wollen, wie Individualismus und Freiheit zugunsten des Kollektivs geopfert werden: Schwere Themen, manchmal ganz schön herausfordernd. Schritt für Schritt findet Petra in schier aussichtsloser Lage ihren Mut. Ein schönes Beispiel für Selbstermächtigung und wie man seine Bestimmung findet.
"Godland" von Martin Schäuble
Der Klimakrieg ist vorbei, Künstliche Intelligenz beherrscht die Welt.
Ich will Euch nicht langweilen: Die Erde ist am Arsch: zu wenig sauberes Wasser, zu viel Müll, Dürre, Starkregen. Kennt Ihr alles. Leseprobe
Protagonistin Yolanda fackelt nicht lange, nimmt die Leser und Leserinnen sofort mit in ihre dystopische Realität. In dieser bestimmt Godmother das Leben der echten Menschen. Diese hoffen, durch körperliche Arbeit, auf einen Upload ins virtuelle Elysium.
Mein Vater hat mir erzählt, dass Gold in den Klimakriegen das Wertvollste überhaupt war. Die Leute bezahlten damit ihre Flucht, ihr Essen und sogar sauberes Wasser. Bis irgendwann klar war, dass nach diesen Kriegen alles vorbei sein würde. Deswegen war auch ein Upload zu dem Zeitpunkt nicht mehr mit Gold zu kaufen. Leseprobe
Untergangsszenarien machen Netflix-Serien für Erwachsene zu Kassenschlagern. Kinder und Jugendliche sind aber quasi die "Dystopie-Natives", die mit den großen philosophischen Fragen des Überlebens des Planeten und der Menschheit aufwachsen. "Godland" ist ein unfassbar spannender Roman, der immerhin noch eine Art Happy End bietet, das vor allem allen, die gerne Videospiele spielen, sicher Freude bereitet.