"Meine Freundin Anne Frank": Über Freundschaft und Zerstörung
Hannah Pick-Goslar stammt aus einer deutsch-jüdischen Familie, die kurz nach der Machtergreifung der Nazis von Berlin nach Amsterdam floh. Dort wurde zu einer Freundin von Anne Frank. Ihre Erlebnisse hat sie in "Meine Freundin Anne Frank" festgehalten.
Noch über 80 Jahre später erinnert sich Hannah Pick-Goslar in einem Interview für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem genau an ihre erste Begegnung mit Anne Frank. Hannah war damals gerade mit ihren Eltern in Amsterdam angekommen, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten aus Deutschland. In einem Laden trafen sie und ihre Mutter auf Anne und deren Mutter. Beide Mädchen waren von diesem Tag an Freundinnen.
Von Berlin nach Amsterdam: Flucht vor den Nazis
Diesen Moment schildert Hannah Pick-Goslar auch in ihrem Buch. Sie erzählt, wie schwer es ihrer Familie gefallen ist, Berlin zu verlassen. Wie vor allem ihre Mutter lebenslang unter dem Verlust der Heimat gelitten hat. Aber es gibt auch Szenen einer fast unbeschwerten Kindheit mit Spielen auf der Straße und Freundinnen-Nachmittagen mit Anne:
Wir lasen gern die gleichen Bücher, zum Beispiel Sagen aus der griechischen und römischen Mythologie. Wir horteten Sammelkarten mit den Mitgliedern der europäischen Königshäuser mit der britischen Prinzessin Elizabeth, die nur ein Jahr älter war als wir, und Prinzessin Juliana von Holland. Außerdem sammelten wir Postkarten von Hollywoodstars. Leseprobe
Tagebuch als Geschenk zum 13. Geburtstag
Hannah Pick-Goslars Buch "Meine Freundin Anne Frank" ist in Zusammenarbeit mit der israelischen Journalistin Dina Kraft entstanden. Ihr hat die bereits über 90-Jährige aus ihrem Leben erzählt. Das sich erneut radikal änderte, als im Mai 1940 Holland von der Deutschen Wehrmacht besetzt wurde. Schon bald begannen in Amsterdam die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, von der auch die Familien Goslar und Frank betroffen waren. Letztere planten unterzutauchen. Vorher gab es noch ein letztes großes Fest zu Annes 13. Geburtstag. An dem sie ihr Tagebuch geschenkt bekam, erinnert sich Hannah Pick-Goslar:
Da waren Bücher und ein paar neue Schuhe, und das Beste: das rot-cremeweiß-beige karierte Notizbuch mit einer hübschen metallenen Schnalle. Anne sagte mir, sie werde es als das Tagebuch verwenden, das sie sich immer gewünscht hatte. Leseprobe
Wenige Tage später ist Anne verschwunden und Hannah glaubt lange, dass sich die Familie Frank in die sichere Schweiz retten konnte. Aber im Frühjahr 1945, Hannah Pick-Goslar, ihre kleine Schwester und ihr Vater wurden mittlerweile ins KZ Bergen-Belsen deportiert, erfährt sie, dass ihre beste Freundin ebenfalls in Bergen-Belsen ist. Die beiden Mädchen können nur durch einen blickdichten Zaun miteinander sprechen. Und Anne, erzählt Hannah, ist nicht mehr das Mädchen von früher. Sie ist furchtbar traurig. Beide weinen.
Hannah Pick-Goslars Vermächtnis
Kurz darauf stirbt Anne. Hannah Pick-Goslar überlebt und wandert nach dem Krieg nach Palästina aus. 2022 ist sie mit 93 Jahren in Jerusalem gestorben. Ihr Buch ist ihr Vermächtnis. Es ist eine so anrührende Geschichte über eine unverbrüchliche Freundschaft, über Liebe und Zerstörung, über Lebensmut, der alles überwindet. Jeder sollte dieses Buch lesen!
Meine Freundin Anne Frank
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen übersetzt von Elsbeth Ranke
- Verlag:
- Penguin
- Bestellnummer:
- 978-3328603009
- Preis:
- 24 €