"Mattanza": Requiem auf eine untergegangene Welt
Germana Fabiano ist ein Autorinnenname, den man sich wohl merken sollte. Nach einem 2009 erschienen hochgelobten Debütroman und einigen ausgezeichneten Kurzgeschichten erscheint jetzt ihr erstes Buch auf Deutsch.
"Mattanza" klingt pittoresk, aber es bedeutet aus dem Italienischen übersetzt einfach: "Schlachten". Und darum geht es: um den Fang von Thunfischen, den seit Jahrhunderten nach genau festgelegten Regeln die Fischer der Insel Katria betreiben. Dazu gehören eigene Begriffe, Befehle und exakt definierte Handlungsabläufe.
Eine junge Frau in einer klaren Männerwelt
Es ist eine unfassbar harte Arbeit, die wie ein Ballett aufgeführt wird. Weil in der Familie, die den Rais, den Anführer des Thunfischfangs, stellen muss, kein Sohn zur Welt kam, übernimmt die Tochter Nora dieses Amt in einer klaren Männerwelt.
Du wirst die Geheimnisse der Meeresströmung erfahren und bewahren, das Gesetz, das die Thunfischschwärme durch die Ozeane in deine Netze treibt, die Architektonik der Meerestiefen, die geheimen Gesänge der Fische. Du wirst hinnehmen, dass der Tod den trifft, der dir am teuersten ist, wirst zulassen, dass das Meer deine Seele verschlingt … Leseprobe
Die Brutalität des Fischfangs wird nicht beschönigt
Germana Fabiano beschreibt ebenso leidenschaftlich wie eindrucksvoll realistisch die Bedingungen des traditionellen Thunfischfangs und das Leben in der Dorfgemeinschaft mit zum Teil urkomischen Zügen. Einer der Männer, so wird es erzählt, war aus dem Krieg aus Russland nicht nach Hause zurückgekehrt. Er hatte dort neu geheiratet:
… eine hässliche, aber herzensgute Frau, mit der er sechsunddreißig wunderbare Jahre verbringen sollte und Wirsing auf eisigem Land anbaute mit derselben Hartnäckigkeit, mit der er früher Thunfische aus dem Meer von Katria geholt hatte, endlich fern von seiner schönen, heißblütigen, aber absolut unerträglichen Gattin, die er am anderen Ende der Welt zurückgelassen hatte. Leseprobe
Nora muss, nachdem ihr Großvater einen Schlaganfall erleidet, früh die Verantwortung für die "Mattanza" übernehmen. Sollte sie Fehler machen, würde ihr Dorf darunter leiden. Neben ihrer Angst zu enttäuschen ist da auch die Sehnsucht, die sie hinterrücks in den unpassendsten Momenten erfasste, gegen ein Schicksal zu rebellieren, das sie nicht gewählt hatte.
Aber Nora fühlt mit dem ganzen Körper, wo sich die Fischschwärme bewegen. Sie ist eine hervorragende Anführerin. Germana Fabiano beschönigt nicht, wie brutal es bei diesem Fischfang zugeht.
In Panik bäumten die ins Boot gehievten Thunfische sich auf und bedrohten das fragile Gleichgewicht der Menschen darin. Sie zappelten ein letztes Mal, sangen mit nachlassendem Atem ihr Todeslied… Leseprobe
Ein Buch von funkelnder Schönheit
Dann kommen die japanischen Schleppkähne, die die Meere in industriellen Ausmaßen leerfischen. Und der Besitzer der Fischfabrik und der Fischerboote möchte sowieso alles verkaufen. Das bedeutet den Untergang der seit Jahrhunderten bestehenden Lebensform und Kultur auf der Insel. Die Dorfgemeinschaft setzt sich zur Wehr. Doch dann kommen weitere Schwierigkeiten angerollt. Boote mit Flüchtlingen, die die Hilfsbereitschaft der Inselbewohner auf die Probe stellen. "Mattanza" ist eine Art Requiem auf eine untergegangene Welt. Von funkelnder Schönheit wie das Meer an ruhigen Tagen und dann wieder dramatisch aufgewühlt bei stürmischer See.
Mattanza
- Seitenzahl:
- 192 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Italienischen von Barbara Neeb und Katharina Schmidt
- Verlag:
- mare
- Bestellnummer:
- 978-3-86648-670-6
- Preis:
- 22 €