"Mädchen mit dem Drachen": Beeindruckender Roman von Laetitia Colombani
Das Buch "Der Zopf" fand weltweit viele begeisterte Leserinnen und Leser. Eine der Figuren hieß Lalita. Um sie geht es in Laetitia Colombani neuen Roman: "Das Mädchen mit dem Drachen".
Es gibt zwei weibliche Hauptfiguren in diesem Roman. Das Mädchen Laetitia und eine Lehrerin namens Léna, sie reist nach Indien, an den Golf von Bengalen, um einen schweren Verlust zu überwinden. Ihr Mann Francois ist bei einem Amoklauf an der Schule in Frankreich, an der sie beide unterrichteten, getötet worden. Sie befindet sich in verzweifelter, lähmender Trauer um ihn. Die Dämme, die Léna am Ufer des Meeres gegen die Erinnerungen bauen möchte, halten natürlich nicht. Sie fällt in eine immer tiefere Depression und fast wäre sie ertrunken, wenn sie nicht von einem fremden Mädchen gerettet worden wäre.
Als sie am Strand zu sich kommt, sieht sie in das Gesicht eines Kindes. Zwei dunkle Augen starren sie an, durchdringend, als gelte es, sie mit Blicken zum Leben wiederzuerwecken. Rot-schwarze Schatten hasten hin und her, rufen einander panisch Worte zu, deren Sinn Léna nicht erfasst. Das Bild des Kindes verschwimmt im allgemeinen Tumult, bis es sich schließlich vollständig in der sich bildenden Menschenmenge auflöst. Leseprobe
Léna beeindruckt eine Gruppe tatkräftiger junger Frauen
Léna wird das Kind später wiederfinden: als kindliche Arbeitskraft in einem Imbiss. Sie spricht nicht, aber durch sie lernt sie eine Gruppe beeindruckender, tatkräftiger junger Frauen kennen. Diese Frauen bieten Selbstverteidigungskurse an, damit Mädchen ganz praktisch üben, sich wirksam gegen Vergewaltigung und Unterdrückung zu wehren. Die Mädchen haben sie nach ihrem Unfall am Meer ins Krankenhaus gebracht. Cathlen Gawlich trifft in der Hörbuchfassung ganz wunderbar unsentimental den richtigen Ton:
Um Lénas Bett wirbelt noch immer die Mädchenschar. Die meisten von ihnen sind Teenager, sie alle tragen einen rot-schwarzen Salwar Kameez. Sie scheinen der Autorität einer jungen Frau unterstellt zu sein, die es offenbar eilig hat … Léna schaut ihnen neugierig hinterher. Wer sind diese Mädchen. Was machen sie hier? Das ist die Rote Brigade, verrät ihr die Krankenschwester. Die haben sie gerettet. Die waren gerade dabei, am Strand zu trainieren, als das Kind zu ihnen gerannt kam. Leseprobe
"Das Mädchen mit dem Drachen" schildert beschämende Situation der Frauen
Diese Frauengruppe, die sich die Rote Brigade nennt, ist wild entschlossen, die Situation der Frauen in ihrem Land zu verbessern. Léna lernt, dass Indien, dieses Land, dessen Pracht, dessen Kultur und Traditionen so gepriesen werden, ein zweiköpfiges Ungeheuer sein kann. Touristen nehmen die Anmut und Schönheit in Erholungszentren, die ayurvedische Medizin und Yoga wahr. Aber die Situation besonders der Frauen in diesem Land ist beschämend. Viele bekommen keinen Zugang zu Bildung, sie werden noch als Kinder verheiratet und sind unfassbarer körperlicher Gewalt ausgeliefert.
Nächster starker feministischer Roman von Laetitia Colombani
Léna fängt an, dem Mädchen Lalita Lesen und Schreiben beizubringen und dann kommen immer mehr Schülerinnen dazu. Natürlich geht das alles nicht so einfach. Es gibt massiven Widerstand. Léna kehrt nach Frankreich zurück, aber etwas zieht sie unweigerlich nach Indien zurück. Dort wird sie gebraucht. Laetitia Colombani hat nach ihrem Roman "Der Zopf" und "Das Haus der Frauen" wieder einen starken feministischen Roman geschrieben. Und ganz nebenbei ist es ein sanft und schön lesbarer, unterhaltsamer Text, der ohne pädagogische Appelle auskommt und auch von Trost in Trauerzeiten erzählt.
Das Mädchen mit dem Drachen
- Seitenzahl:
- 270 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- aus dem Französischen von Claudia Marquardt
- Verlag:
- Fischer Verlage
- Veröffentlichungsdatum:
- 23. Februar 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-10-397490-4
- Preis:
- 22 €