Jugendroman "Gras unter meinen Füßen": Eine Geschichte voller Hoffnung
"Gras unter meinen Füßen" ist ein Ausnahme-Kinderbuch, eins dieser Bücher, die einen ganz lange nicht loslassen. Und es ist für Erwachsene genauso geeignet wie für Kinder.
Kimberly Brubaker Bradley schont ihre jungen Leser nicht, vor allem die ersten Seiten sind schwer zu ertragen:
"Ada! Weg da vom Fenster!" Mams Stimme, ihr Schreien. Ihre Hand, die meinen Arm packte und mich wegriss. So energisch, dass ich vom Stuhl kippte und auf den Boden knallte.
"Ich hab doch bloß Stephen White Hallo gesagt." (…) Mam schlug zu. Richtig fest. Mein Kopf donnerte gegen das Stuhlbein, kurz blitzten Sterne vor meinen Augen. "Du redest hier mit gar keinem!", sagte Mam. (…)
"Jamie ist draußen", murmelte ich.
"Na und?", sagte Mam. "Der ist ja kein Krüppel. Du schon."
Leseprobe
Ada ist neun, sie lebt mit ihrer Mutter und ihrem sechsjährigen Bruder Jamie in einer winzigen Wohnung in den Londoner Docks - und darf diese Wohnung nie verlassen. Ihre Mutter schämt sich für ihre Tochter, weil deren Fuß von Geburt an verformt ist. Adas Tage sind trist. Sie kann sich nur kriechend durch die Wohnung bewegen, die bösartige Mutter kommandiert sie herum, bestraft sie beim kleinsten Anlass und beschimpft sie als "Monster, mit dem ekligen Fuß".
Ada leidet still - ihr Trost ist der geliebte Bruder Jamie. Aber als Jamie Freunde findet und draußen herumstreift, fasst Ada einen Entschluss: Sie wird sich das Laufen beibringen. Heimlich.
Ein neues Zuhause auf dem Land
Man leidet mit Ada, vor allem auf diesen ersten 20 Seiten. Dann passiert etwas, das ihr Leben verändert. Es ist der August 1939. Wegen des drohenden Krieges und aus Angst vor Bombenangriffen schicken die Londoner ihre Kinder aufs Land. Auch Jamie soll mit, Ada hingegen soll bleiben. "Wer will dich schon", sagt ihre Mutter. Ohne Jamie in der Wohnung bleiben? Das kommt für Ada nicht in Frage. Gemeinsam mit Jamie schleicht sie sich aus dem Haus, zur Schule, wo sich alle Kinder treffen, die mit dem Zug aufs Land gebracht werden.
Ada schafft den Weg mit Jamies Hilfe - und tatsächlich landen die beiden schließlich in einem neuen Zuhause auf dem Land. Bei Miss Smith, die allerdings zunächst nicht besonders nett ist, weil sie immer noch unter dem Tod eines geliebten Menschen leidet. Aber Ada liebt das Haus auf dem Land und vor allem liebt sie Butter, das Pony von Miss Smith. Ada will reiten lernen.
Ich lockte ihn, bis er sich neben das Mäuerchen stellte, hievte mich hoch - ohne die Krücken war das nicht leicht - und schwang mein schlimmes Bein über das Pony. Dann hielt ich mich an seiner Mähne fest, ruckelte ein bisschen hin und her, und schon saß ich rittlings auf ihm. Sein Geruch stieg zu mir hoch, und ich spürte sein warmes, struppiges Fell an meinen Beinen. Leseprobe
Butter wird ein wichtiger Gefährte für Ada, deren Verletzungen - innere und äußere - auf dem Land langsam heilen. Und auch Miss Smith wird immer zugewandter; die Kinder tun ihr gut, auch wenn es nicht immer einfach ist.
"Gras unter meinen Füßen": Ein zu Herzen gehender Roman
Nach den ersten heftigen Seiten wird dieses Buch eine Geschichte voller Hoffnung - auch wenn es für Ada immer wieder Rückschläge gibt und Dinge passieren, die ihr neues Leben bedrohen. Kimberly Brubaker Bradley schreibt auf hohem literarischen Niveau und auf Augenhöhe der jungen Leserinnen und Leser. Ein eindringliches Buch, märchenhaft einerseits, brutal realistisch andererseits - und immer zu Herzen gehend.
Gras unter meinen Füßen. Das Jahr, als ich leben lernte
- Seitenzahl:
- 336 Seiten
- Genre:
- Jugendbuch
- Zusatzinfo:
- ab 11 Jahren; aus dem Englischen von Beate Schäfer
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-64114-2
- Preis:
- 16 €