Hart an der Kitschgrenze: Takis Würgers Liebesroman "Für Polina"
Takis Würgers Romane "Der Club" und "Stella" sind Bestseller und wurden in viele Sprachen übersetzt. Sein neuer Roman "Für Polina" ist ein Coming-of-Age-Roman wie am Reißbrett entworfen.
Wem das nicht zu Herzen geht, der hat wohl keins. Da sucht ein junger Mann nach der Liebe seines Lebens: Polina. Er hat den Kontakt zu ihr verloren. Dann kommt es zu einem wundersamen Moment: Hannes, der Klavierträger und unerkannter Komponist, spielt seine Sonate "Für Polina". Mitten auf der Straße, im Hamburger Grindelviertel, bei einem Klaviertransport. Eine spontane Eingebung, sozusagen ein Ruf in den Äther. Dabei wird er von Menschen ringsum mit dem Handy gefilmt. Das Video geht viral und erreicht Millionen. Die Menschen, die seine Musik hören, verändern ihr Leben. Und Polina? So viel sei verraten: Die Musik erreicht auch sie. Hannes Prager, der Klavier-"Mover", berührt ihr Herz.
Autor Takis Würger beherrscht die Klaviatur der Gefühle. Und genau das ist das Problem dieses überkonstruierten Buchs, das hart an der Kitschgrenze scharrt: Es ist ein Coming-of-Age-Roman wie am Reißbrett entworfen.
Zwei Kinder und die Kraft der Musik
Hannes und Polina sind seit der Kindheit befreundet. Er wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter mitten im Bissendorfer Moor bei Hannover auf, in einer verwunschenen Villa mit Pflaumenbäumen und Rhabarber im Garten. Der einzige Mitbewohner ist Hildebrand, ein grantiger Autor mit dem Herzen am rechten Fleck. Polina kommt regelmäßig zu Besuch.
Hannes lauschte vorsichtig in die Welt hinein wie in eine dunkle Höhle, in der Ungeheuer lauern. Polina schaute hinter jede Tür, steckte ihren Kopf in die Tümpel im Moor, um zu prüfen, was darin war, fasste jeden Käfer an und nahm die meisten davon in den Mund. Leseprobe
Zwei Kinder ohne Väter, eine "Villa Kunterbunt" und: die Kraft der Musik. Hannes ist ein stilles Kind, eines, das lauscht, statt zu schreien. Alles wird ihm zum Klang, seine Welt besteht aus Tönen. Bis er sein Talent entdeckt. Er beginnt, auf dem alten Klavier zu spielen.
Polina dagegen ist ein Wildfang, sie ist laut, lebhaft, frech, das genaue Gegenteil. Zur Zäsur kommt es, als Hannes‘ Mutter bei einem Unfall im Moor stirbt. Hannes ist traumatisiert, verliert seinen Zugang zur Musik. Polina geht in die Welt, er zieht zum Vater nach Hamburg-Othmarschen, einem Kaufmann mit kaltem Herzen. Um es deutlich zu machen: Er ist Marmorhändler.
Der Vater sah ihn unverwandt an, sein Gesicht war fleckig und glänzte im Deckenlicht. Hannes konnte die roten Punkte an seinem Hals sehen, wo er den Nassrasierer zu scharf über die Barthaare gezogen hatte. Hannes atmete ein, aber es war, als wäre dem Raum die Luft entwichen. Leseprobe
Keine Normalität, keine Ruhe - nur das Besondere
Das Problem an "Für Polina" ist: Der Roman liest sich wie eine überkolorierte Fotografie, ohne jede Unschärfe, ohne Geheimnis. Es gibt keine Brüche, die nicht sofort von einem originellen Einfall übertüncht würden. So überschlagen sich die Bilder, die Figuren wirken wie aus dem Katalog. Wenn Takis Würger die neue Freundin von Hannes beschreibt, liest sich das so:
Nougatfarbene lange Haare, streng zurückgebunden, verblassende gebräunte Haut wie nach einem Urlaub in Südfrankreich, ein weißes Lächeln, das auf dem Gesicht lag wie eine hauchdünne Schicht Eis. Hannes mochte ihre Stimme. Leseprobe
Der Roman kennt keine Ruhe, nur das Besondere, keine Normalität, keine Mühe der Ebene, auch wenn er sich flüssig liest. Dann aber, kurz vor dem Ende, greift er doch noch ans Herz. Das muss man ihm lassen: Es ist ein hollywoodreifes Finale mit Schrammen. Zum Schluss holt den Roman das Leben ein, endlich.
Für Polina
- Seitenzahl:
- 304 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Diogenes
- Veröffentlichungsdatum:
- 26. Februar 2025
- Bestellnummer:
- 978-3-257-07335-5
- Preis:
- 26 €
Schlagwörter zu diesem Artikel
Romane
