Sendedatum: 31.10.2010 17:40 Uhr

Hamburger Pflanzenatlas

von Eva-Maria Lemke

Hamburg gilt als "grünste Metropole Europas". Nicht nur wegen seiner vielen Parks und der Naturschutzgebiete am Stadtrand. Auch zwischen Gehwegplatten und auf Grünstreifen finden sich viele seltene Pflanzenarten. Das zeigt ein Buch, das jetzt im Dölling und Galitz Verlag erschienen ist: "Der Hamburger Pflanzenatlas von A bis Z" listet alle Pflanzenarten von Ackerfrauenmantel bis Zypergras auf und zeigt: Selbst exotische Pflanzen aus Sibirien oder Armenien sind in Hamburg zu finden. Wo genau, das zeigt das Buch in umfangreichen Karten.

Ungeahnter Artenreichtum

Wenn man den Botaniker Hans-Helmut Poppendieck nach seinem Geheimtipp fragt, dann nennt er nicht den Stadtpark oder eine urige Kleingartenanlage - sondern die Bahnhöfe. Die stillgelegten Güterbahnhöfe, in denen alles ungestört wachsen kann, sind ihm am liebsten. Aber auch der belebte Hamburger Hauptbahnhof bietet ungeahnten Artenreichtum...

Poppendieck dazu: "Da vor dem ICE diese Pflanze, das ist der Kompasslattich". "Das da mit den langen gefiederten Blättern ist der Götterbaum". "Das schmalblättrige Greiskraut, das stammt aus Südafrika." "Der stinkende Storchschnabel, der hat so einen unangenehm aufdringlichen Geruch: Geranium robertianium. Das ist eine Art, die von Linné beschrieben wurde und Robert, das war so ein Bekannter von ihm, der sich selten wusch deswegen hat er ihn Geranium Robertianum genannt."

Hans-Helmut Poppendieck ist kein Feld- Wald- und Wiesenbotaniker, ihm ist die Stadt der liebste Biotop. 840 Quadratkilometer haben er und viele ehrenamtliche Helfer kartografiert - für den ersten Hamburger Pflanzenatlas. Der Hauptbahnhof war dabei ein besonderes Lebensraum: Hier landen immer wieder weitgereiste Pflanzensamen, die von den einfahrenden Zugwaggons wirbeln – und auch der Mensch trägt zum Artenreichtum bei...

"Das ist ´ne Tomate. Guck mal: Da sind schon Früchte. Wie kommt die hierher? Hier hat jemand auf einen Zug gewartet, die gegessen und den Kern ausgespuckt", vermutet Poppendieck. "Das findet man in der Stadt gar nicht so selten: Ich kenn zwei Stellen in Hamburg wo ne Nektarine wächst, in der Nähe vom Fischmarkt, die hatte schon Blüten und Früchte, bloß die mag man ja dann nicht essen."

Aber mitgezählt hat er sie sicher: 1.546 wildwachsende Pflanzenarten sind im Hamburger Pflanzenatlas beschrieben: Und lassen sich dank der über 1.000 detaillierten Stadtkarten genau verorten – bis vor die eigene Haustür. Wer durch das seitenstarke Buch blättert, erkennt auch: Wildpflanzen in der Stadt sind Überlebenskünstler am Straßenrand...

"In so einer Stadtlandschaft wie Hamburg, wo so viel passiert ist, wo so viel umgebaut wurde, wo so viel zerstört wurde. Dass es da Pflanzen gibt, die seit 150 Jahren an derselben Stelle wachsen, dass finde ich am faszinierendsten. Es gibt in Altona eine Stelle, wo das Herzgespann wächst, wo wir Belege haben von 1840. Und es wächst immer noch an derselben Stelle."

Der Hamburger Pflanzenatlas - mehr als eine florale Bestandsaufnahme

Im hinteren Teil des Buches reiht eine lange rote Liste die gefährdeten Pflanzenarten in Hamburg auf, das Vorwort liest sich hingegen wie eine Liebeserklärung. Verfasst von der inzwischen verstorbenen Loki Schmidt:

"Mit vielen Karten in diesem Buch sind Erinnerungen wach geworden: An Krebsscheren in den Marschgräben, an Sumpfdotterblumen im Röhricht an der Elbe oder an Wollgräser im Duvenstädter Brook. Wer diese Pflanzen sehen möchte, weiß jetzt ganz genau, wo er sie finden kann."

Der Hamburger Pflanzenatlas ist ein Fachbuch, aber eines, das man gerne liest – und dank der vielen Farbfotografien auch gern ansieht. Es zeigt Hamburg von seiner grünsten Seite und lädt ein, zu Exkursionen in die Harburger Berge,  zu den Elbufern oder eben an die Baumscheiben und Grünstreifen vor der eigenen Haustür.

Hamburger Pflanzenatlas

von Poppendieck, Hans-Helmut
Seitenzahl:
512 Seiten
Genre:
Sachbuch, Bildband
Verlag:
Dölling und Galitz Verlag
Bestellnummer:
978 3937 9049 31
Preis:
29,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 31.10.2010 | 17:40 Uhr

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