Georg Ringsgwandl: "Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris"
"Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris": So hat der bayerische Rockmusiker und promovierte Kardiologe Dr. Georg Ringsgwandl nach diversen Bühnenstücken und lyrischen Songs seinen ersten Roman überschrieben.
Es ist sein erster Roman und eigentlich ein typischer Ringsgwandl-Streich: Der Narr hält in der Hand den Kasperle, der ihm und uns den Spiegel vor die Nase hält. In diesem Fall ist es eine Kasperlin, die Doris heißt und anders als der Titel suggeriert, mitnichten eine Schlampe ist, sondern eine knochenharte Tourbegleiterin.
"Das erste Mal habe ich die gesehen, 1974, also es war praktisch kurz nach ihrer Geburt gewesen, ich hatte ihre Mutter gekannt", so Ringsgwandl. Deren Aufzeichnungen habe Ringsgwandl in einer Burg gefunden. "Als sie verschwunden ist, sind in ihrem Zimmer ein paar Notizbücher aufgetaucht", beschreibt Ringsgwandl die Umstände seines Fundes.
Ins Glück geflohen
Die verschwundene Doris ist irgendwo ins Glück geflohen - und heute wahrscheinlich auch längst Mutter und mit ihrem Liebsten Luc, den der Ringsgwandl immer nur den Mechaniker nennt, auf und davon gestoben. "Die Doris gibt es wirklich", berichtet der Verfasser, der kein Autor sein will, sondern bloß der Finder von Bruchstücken eines Textes. "Auf jeden Fall gibt es wirklich."
Ich bin mit der Rocky Horror Show aufgewachsen. In einer Gartenhütte aus der Vorkriegszeit, im Modergeruch eines alten Holzverschlags, bei einer milde verpeilten Mutter, die sagte: Du bist mit der Rocky Horror Show auf die Welt gekommen, dir kann nichts passieren. Leseprobe aus "Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris"
So hebt sie an, die Erzählung der rappeldürren Doris Rupp. Als Kind ist sie bei einer vom Mann verstoßenen Hippiefrau in einem verwahrlosten Gartenhaus aufgewachsen. Hat sich aus ihrem Elend gewirtschaftet, ihre Hippiemutter vor der Gelegenheitsprostitution bewahrt, die drei Töchter des Kardiologen Ringsgwandl gehütet - und das Geld der Band durch den Verkauf von Musikkassetten, T-Shirts und Platten gemehrt. "Wenn sie sich etwas hergerichtet hat, richtig angezogen hat, in der entsprechenden Haltung richtig geschminkt, dann war sie ein richtiger Hingucker", erklärt Ringsgwandl. "Das war so ihr Merchandising-Outfit. Wenn sie nach dem Konzert Platten verkauft hat, dann hat sie sich so angezogen, dass die Typen mindestens eine gekauft haben."
Wehmütiger und anarchischer Blick in eine andere Zeit
Es ist die Moritat einer Band aus den verkifften Tagen von Sex, Drugs and Rock‘n Roll in bayerischen Kaschemmen. In einer Zeit, da Männer noch im Kuhstall in die Rinne pinkelten und Rockmusiker noch bis früh um vier mit allem was Dröhnung enthielt an ihrer Message bastelten. "Skandalöserweise ist es jetzt so, dass in meiner Band jetzt jeder einen Führerschein hat, das hat es früher nie gegeben."
Außenansichten eines Clowns und Kardiologen, wehmütig und anarchisch, geil und verführerisch. Es ist der Blick in eine Zeit, die es schon lange nicht mehr gibt, in eine Zeit da die Musik aus Rausch entstand ist: Als Drogen und Alkohol als Grundnahrungsmittel der Bühnenperformance laut Ringsgwandl unabdingbar waren. In eine Zeit, in der ein promovierter Kardiologe, Sohn eines Vaters mit einem Granatsplitter im Kopf mit seiner Band bis morgens früh um vier gesoffen, schwadroniert und deliriert hat und nicht wie heute üblich um 22.30 Uhr alle in ihren Hotelbetten lagen, ihre Hausaufgaben aus dem Konservatorium noch einmal durchgegangen sind und alle einen gültigen Führerschein haben. "Irgendwann kann man sich das nicht mehr leisten, dass man immer den Führerschein wieder neu macht", so Ringsgwandl.
Es ist der Einblick in die Neandertaler-Zeit der Rockmusik am Beispiel eines Schorschi, der sich aufmacht, in die große, weite Welt zu ziehen, grell kostümiert in Strumpfhosen und mit dem Schlüpper auf dem Kopf als Rumpelstilz die Bürger zu schockieren. Außenansichten eines Clowns. Doch eines hat sich der Bühnenzampano, dessen Theaterarbeit wir hier unterschlagen haben, dauerhaft verbaut. "Gott sei Dank", findet Ringsgwandl. "Wenn das Buch einen Zweck hat, dann ist es zu verhindern, dass ich eine Autobiografie schreibe, weil ich finde die meisten Autobiografien sind einfach eine Menschenrechtsverletzung."
Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris
- Seitenzahl:
- 448 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Preis:
- 28 Euro €