"Ein Sonntag in den Bergen": Der Brandanschlag auf Axel Springers Haus
Die Neuausgabe des Berichts von Daniel de Roulet ermöglicht einen höchst spannenden Blick in die Zeit der Proteste in den 70er-Jahren. Im Nachwort bietet die neue Auflage eine überraschende Pointe.
Daniel de Roulet ist 1944 geboren und hat als Architekt, Informatiker und Schriftsteller in Genf gearbeitet. 2006 erschien die erste Ausgabe seines Buches "Ein Sonntag in den Bergen". Dort erzählt de Roulet davon, wie er 1975 das in den Schweizer Bergen gelegene Chalet von Axel Springer in Brand gesteckt hat. Nun ist dieser Bericht genau 50 Jahre nach der Tat mit einem neuen Nachwort des Autors noch einmal erschienen.
Ein junger Aktivist will ein Zeichen setzen
Der Bericht ist schnörkellos, geradezu unaufgeregt geschrieben, ohne irgendein sprachliches Brimborium. Und doch entfacht er starke politische Gefühle, vermutlich besonders bei Menschen, die in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts für eine bessere Zukunft, gegen die immer noch drohende braune Pest der Altnazis, gegen Verleumdungen in der Boulevardpresse, gegen sauren Regen, Waldsterben und Atomenergie gekämpft haben. Damals hatte de Roulet als junger leidenschaftlicher Mensch einen Plan gefasst, er wollte ein Zeichen setzen. Wie konnte es sein, dass ein deutscher Verleger gegen sonst übliche Naturschutzregeln ein riesiges Chalet im Gebirge besaß? Mit einer Freundin gemeinsam wollte er dieses Chalet niederbrennen, ohne dass ein Mensch gefährdet würde. Mit der Bahn reisen sie an und sind zunächst betört von der majestätischen Schönheit der Landschaft.
Die beiden jungen verliebten Leute verbringen eine Nacht im Grand Hotel. Und dann geht es los mit Skiern, die mit Fell umwickelt sind, Thermoskannen, Weißbrot und bitterer Orangenmarmelade aus dem Hotel im Rucksack.
Mit gedämpfter Stimme zählten wir einander die Gründe für unseren Groll auf die Reichen der Erde auf, die sich in die Bergwelt geflüchtet hatten (…) wir wollten das Land rein und weiß halten, wollten die Berge sauberfegen, damit sich dort keine braune Pest und keine ausländischen Diktatoren einnisten konnten. Leseprobe
Sie bewältigen einen kraftraubenden Aufstieg und stellen oben auf dem Bergkamm angekommen fest, dass sie offenbar einmal falsch abgebogen sind und wieder zurück müssen, um an anderen Stelle neu aufzusteigen.
Einer von uns beiden meinte, man könne auch aufgeben. Worauf sie antwortete, das käme gar nicht in Frage. Leseprobe
De Roulet beschreibt das politische Klima der 70er-Jahre
Daniel de Roulet versteht es, mit eleganter Selbstironie und Selbstkritik zu erzählen. Er beschreibt das damalige politische Klima zu RAF-Zeiten. Wie empörend viele es fanden, wie in der Springer-Presse die Leserschaft täglich aufgehetzt wurde und die außerparlamentarische Opposition dagegenhielt. Jean-Paul Sartre taucht im Text auf und sein Stück "Die Eingeschlossenen von Altona" veranlasst den Autor, nach Hamburg zu reisen. In dem Abschnitt ist übrigens die Rede vom "noblen Hamburger Vorort Altona". Da muss er schon in Othmarschen oder Flottbek gelandet sein, aber das sei nur als Petitesse am Rande erwähnt.
Der Hauptspielort ist in den Schweizer Bergen, wo sich in der wahrhaft erhabenen, klaren Schönheit der Berglandschaft ein Gesetzesbruch anbahnt. Die Erzählung hat im Nachwort zur Neuausgabe eine überraschende Pointe zu bieten.
Elegant übersetzt von Maria Hoffmann-Dartevelle
Nach dem Erscheinen der ersten Fassung 2006 bekam der Autor eine Einladung in das Bergdorf, wo Springers Chalet gestanden hatte. Er fuhr mit Grummeln hin, weil er nicht wusste, was ihn dort erwarten würde. Aber er wurde fürstlich bewirtet und reich beschenkt mit Produkten der Region. Der Brandanschlag hatte in diesem Ort seinerzeit für Unfrieden gesorgt, weil man sich untereinander verdächtigt hatte, ihn begangen zu haben. Nun war die Sache für die Einheimischen endlich geklärt und der Dorffrieden wieder hergestellt.
Maria Hoffmann-Dartevelle hat die Eleganz des französischen Originals großartig ins Deutsche übertragen. So können wir in diesem Text erstaunlich unaufgeregt nachlesen, dass die großen politischen Sorgen der damaligen Jugend von heute aus betrachtet mehr als berechtigt waren.
Ein Sonntag in den Bergen
- Seitenzahl:
- 128 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Französischen von Maria Hoffmann-Dartevelle
- Verlag:
- Limmat Verlag
- Preis:
- 26 €