"Die verbrannten Dichter": Serkes Neuauflage weckt Lesehunger
Im Buch "Die verbrannten Dichter" porträtierte Jürgen Serke 1977 die von den Nazis vertriebenen Schriftsteller, deren Bücher auf den Scheiterhaufen geworfen worden waren. Nun liegt es in einer Neuausgabe vor.
"Nehmen Sie sich mal einen Fotografen mit, ein Jahr Zeit und machen das!" So reagierte Mitte der 70er-Jahre Henri Nannen auf Jürgen Serkes Vorschlag, die verfemten und nach dem Krieg vergessenen Schriftsteller zu porträtieren.
Thedel von Wallmoden schreibt in seinem Vorwort zur Neuausgabe:
Jürgen Serke und der Fotograf Wilfried Bauer hatten Autorinnen und Autoren aufgesucht, hatten mit ihnen gesprochen und sie fotografiert. Die Artikel erzählten von diesen Begegnungen. Sie boten sehr persönliche Einblicke… Viele der Autorinnen und Autoren lebten noch. Sie waren noch da, aber in den zwanzig Jahren seit Kriegsende hatte sich kaum jemand für ihre Werke und Schicksale interessiert. Leseprobe
Das bedeutet, jeder hätte sie damals treffen können, aber Serke war derjenige, der es wirklich gemacht hat. Seine Serie im "Stern" hatte dann für viele eine nahezu elektrisierende Wirkung. Mich verbindet mit dem Verleger Thedel von Wallmoden, dass wir unser Literaturstudium nach diesen großen Namen von Dichtern ausgerichtet und organisiert haben, die Serke aufgespürt hatte.
Die Nachwirkungen von "Die verbrannten Dichter"
In den folgenden Jahren reagierten einige Verleger mit Buchausgaben: Lutz Schulenburg und Hanna Mittelstädt kümmerten sich in der Edition Nautilus um Franz Jung. Im Claassen Verlag war es Christoph Buchwald, der die gesammelten Werke von Walter Mehring herausbrachte. Die Liste lässt sich fortsetzen.
Das Erstaunliche an dieser Neuausgabe über die von Serke sogenannten "verbrannten Dichter" ist, dass sich die begeisternde, Lesehunger und Entdeckerfreude entzündende Wirkung von damals sofort wieder einstellt, man wieder neugierig wird auf Else Lasker-Schüler, Ernst Toller, Claire Goll, Irmgard Keun oder Oskar Maria Graf. Grafs Bücher waren übrigens von den Nazis übersehen worden. Er stand auf der "weißen Autorenliste", offenbar weil sie ihn als deutschen Heimatdichter missverstanden hatten. Er war ganz verzweifelt und fragte: "Womit habe ich diese Schmach verdient?"
Jürgen Serke nahm Gesprächspartner als Menschen und Künstler wahr
Claire Goll und viele der Schriftsteller, die Serke zusammen mit Wilfried Bauer besucht hat, haben intime Geheimnisse, Gedanken und Gefühle, hitzige und verzweifelte Liebesgeschichten aus ihrer Jugendzeit offenbart. Bis heute melden sich Enkel und Urenkel der Autoren, um ihm noch etwas aus dem Nachlass anzuvertrauen. Das ist das große Verdienst von Serke, dass diese großen Künstler sich ihm in den Gesprächen geöffnet haben, weil endlich jemand zu ihnen kam, der sie als Menschen und Künstler wahrgenommen hat - nach so vielen Jahren absoluter Unsichtbarkeit.
Sein Buch hat er nun gänzlich überarbeitet, zusätzliche Fotos eingefügt, Zeitdaten ergänzt und die Rechte der Zitate überprüft, weil sie zur Zeit der Erstausgabe länger sein durften. Man kann das Buch durchblättern und über die Fotos in die Lebensgeschichten eintauchen und dann die Porträts lesen. Wer diese Reise unternimmt, kehrt nach großen Erlebnissen verändert in den Alltag zurück.
Die verbrannten Dichter
- Seitenzahl:
- 364 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Wallstein
- Veröffentlichungsdatum:
- Mai 2023
- Bestellnummer:
- 978-3-8353-5388-6
- Preis:
- 38,00 €