Sendedatum: 20.11.2011 17:20 Uhr

Diane Arbus

von Silke Lahmann-Lammert

Sie hat Exzentriker fotografiert, Freaks, Transvestiten, Behinderte - und ganz normale Durchschnittsamerikaner. Aber auch die sahen bei Diane Arbus irgendwie schräg und liebenswert ungewöhnlich aus. 2011 ist ihr 40. Todesjahr - die Fotografin nahm sich 1971 das Leben. Jetzt sind mehrere Bildbände über sie erschienen. Einen davon stellt Silke Lahmann-Lammert vor.

 

Sie hat sich immer als schüchtern beschrieben. Ihre Seelenlage ist in den wenigen Selbstportraits von Diane Arbus deutlich zu lesen: Ein schmales Gesicht mit dunklen, wachen Augen. Ein Blick voller Neugier und Melancholie.

Diane Arbus (Buchzitat):
"Es gibt da diese Person, von der ich sehr viele Aufnahmen gemacht habe. (…) Ich fuhr mit dem Fahrrad die Third Avenue entlang, und sie war mit einer Freundin unterwegs. Die beiden waren gewaltig, fast zwei Meter groß, und ziemlich dick. Ich hielt sie für schwergewichtige Lesben. Sie gingen in ein Lokal und ich folgte ihnen und fragte sie, ob ich sie fotografieren dürfte."

Kamera ist Bindeglied und Schutzwall

Die Kamera half Diane Arbus, ihre Furcht vor anderen Menschen zu überwinden. Nie, erzählte sie, habe sie Angst empfunden, wenn sie durch den Sucher blickte.

Diane Arbus (Buchzitat):
"Als ich am nächsten Tag zu ihnen ging, (…) sagten sie: 'Ich glaube, wir sollten Ihnen sagen' - ich weiß nicht, warum sie sich dazu verpflichtet fühlten -, 'Wir sind Männer.' Ich habe nicht mit der Wimper gezuckt, aber in Wirklichkeit habe ich mich sehr gefreut."

 

Diane Arbus - Vita

Geboren am 14.03.1923, war die US-amerikanische Fotografin und Fotojournalistin russisch-jüdischer Abstammung bekannt für ihre Aufnahmen von Exzentrikern und gesellschaftlichen Außenseitern.

Arbus litt an Depressionen und nahm sich am 26.07.1971 das Leben.

Menschen wie diese beiden faszinierten Diane Arbus: Männer in Frauenkleidern, Exzentriker, Freaks, Tätowierte.

Aber auch den ganz normalen Irrsinn des Alltags fotografierte sie: Kinder, die wie kleine Erwachsene bei einem Tanzwettbewerb auftreten, ein Junge, der im Central Park mit einer Handgranaten-Attrappe spielt, Männer und Frauen, die ihre Freizeit in einem FKK-Camp verbringen. Ein Ort ungezügelter Freiheit, sollte man meinen. Aber Diane Arbus Kamera entlarvt den Nudisten-Verein als Spießerparadies, in dem Rentner, nur mit Slippern bekleidet, demonstrativ ihre Nacktheit zur Schau tragen.

Diane Arbus (Buchzitat):
"Es ist, als würden sie mehr Kleider tragen als andere Menschen."

Diane Arbus scheute sich nicht bei ihren Ausflügen in Nudisten-Camps ebenfalls die Kleider abzulegen und mit nichts als ihrer Kamera auf die Pirsch zu gehen.

Sie wusste, dass die Fotografie gnadenlos sein kann. Nie vor ihr hatte jemand so krasse, so unverblümte und direkte Aufnahmen gemacht. Aber gerade weil ihre Bilder dem Betrachter erlauben, genau hinzuschauen, weil sie ihm zeigen, wie schräg Männer, Frauen und Kinder aussehen und wie sonderbar sie sich gebärden können, haben die Fotos etwas Versöhnliches: Seht her, so unterschiedlich sind wir. All das gehört zum Spektrum des Menschlichen - egal ob Transvestit, Kleinwüchsiger oder grell geschminkte Lady, wir alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip.

Diane Arbus (Buchzitat):
"Unsere ganze Aufmachung dient doch dem Zweck, unserer Umwelt klarzumachen, was sie von uns denken soll, aber es gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was andere Leute unserer Ansicht nach von uns wissen sollen, und dem, was sie nolens volens von uns wissen. Das hat etwas zu tun mit dem, was ich die Kluft zwischen Absicht und Wirkung nenne. (…) Die Ironie der Welt liegt darin, dass Dinge nie so werden, nie so aussehen, wie man es beabsichtigt."

Bilder vom "inoffiziellen" Amerika

Für Diane-Arbus-Kenner, die Ausschau nach unveröffentlichtem Material halten, bietet der neue Bildband kaum Überraschungen. Er ist jedoch ein schönes und preiswertes Buch für Menschen, die ihr fotografisches Werk entdecken möchten.

Neben den bekanntesten Aufnahmen - Beispielen aus allen Schaffensphasen - geben 15 Textseiten mit Zitaten Einblick in die Gedankenwelt der Fotografin, die wie keine zweite die US-amerikanische Gesellschaft der 60er-Jahre dokumentierte. Es ist ein Amerika, für das es in der offiziellen Selbstdarstellung der Nation keinen Platz gab. 

Diane Arbus (Buchzitat):
"Irgendwie glaube ich schon, dass ich ein besonderes Gespür für Sachen habe. Das ist schwer greifbar und ist mir auch ein bisschen peinlich, aber ich glaube, es gibt Dinge, die niemand sehen würde, wenn ich sie nicht fotografiert hätte."

Diane Arbus

von Doon Arbus
Seitenzahl:
184 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Schirmer/Mosel, 184 Seiten, 81 Duotone-Tafeln
Bestellnummer:
978-382960039-2
Preis:
29,80 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 20.11.2011 | 17:20 Uhr

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Bildbände

Fotografie

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