Buch "Muslimischer Antisemitismus" über Judenfeindlichkeit von Muslimen
Der israelische Politologe David Ranan beschäftigt sich schon sein ganzes Leben lang mit Judenfeindlichkeit. In seinem Buch "Muslimischer Antisemitismus" geht er auf Judenfeindlichkeit von Muslimen ein.
Antisemitismus ist in Deutschland längst wieder ein Thema. Der Angriff auf einen Mann mit Kippa in Berlin und die Debatte um die Texte von Rappern, die mit einem Echo ausgezeichnet wurden, haben zusätzliche Schlagzeilen gemacht. Aber was genau ist eigentlich mit Antisemitismus gemeint? Und wenn es um Judenfeindlichkeit von Muslimen geht: Wie genau sieht die aus?
Mit diesen Fragen hat sich der israelische, in London und Berlin lebende Politologe David Ranan befasst. Ranan sagt klar "Nein" zu Gewalt. Aber er warnt gleichzeitig vor Panik: "Wir wollen es nicht dulden. Und wir dürfen es nicht erlauben. Aber deswegen große Alarmglocken: 'Antisemitismus wieder in Deutschland! Wer hätte gedacht, dass man mit einer Kippa wieder in Deutschland als Jude angeschrien wird?'. Das ist unehrlich."
Besonnen bleiben!
David Ranan plädiert für Besonnenheit. Die Diskussion um muslimischen Antisemitismus in Deutschland hält der israelische Politikwissenschaftler für ungenau, ja irreführend. Denn es gebe einen entscheidenden Unterschied zwischen dem muslimischen Antisemitismus und dem deutschen: "Und das ist der Unterschied zwischen dem alten, tief verwurzelten christlichen Antisemitismus, der daraus stammt, dass man glaubte, dass Juden Gott umgebracht haben, und dem Antisemitismus unter Muslimen, der eigentlich davon stammt, dass man einen Konflikt um ein Territorium hat."
Anti-jüdisch oder anti-israelisch?
Der Nahost-Konflikt, den David Ranan als ursächlich für den muslimischen Antisemitismus ausmacht, ist ein politischer Konflikt. Zugespitzt formuliert: Wenn ein Muslim "Jude" sage, meine er in aller Regel "Israeli", schreibt Ranan in seinem Buch. Und damit sei er im eigentlichen Verständnis kein klassischer Antisemit, sondern anti-israelisch.
"An Bemühungen, Antisemitismus zu definieren, hat es [...] nicht gefehlt und die Versuchung ist daher groß, endlich eine Definition zu finden, die [...] wenigstens eine Zeit lang allgemein akzeptiert wird. Schnell geraten die Verfasser solcher Definitionsversuche aber in Beschreibungen, die keine Grundlage für eine Definition bilden." Zita aus dem Buch "Muslimischer Antisemitismus"
Bekanntes Repertoire von Stereotypen
Ranan setzt sich detailliert mit den Messinstrumenten des Antisemitismus auseinander und kritisiert Methoden der quantitativen Umfragen als überholt und ungenau. Er legt dagegen eine qualitative Studie vor. Die Interviews mit 70 Muslimen aus der Bildungsschicht zeigen ein - auch aus traditionellem Antisemitismus - bekanntes Repertoire von Stereotypen und Verschwörungstheorien, so Ranans Fazit.
Zentral für die Einstellung zu Juden sei allerdings der Nahost-Konflikt. Dagegen habe keiner seiner Interviewpartner den Koran als Quelle genannt.
Muslimischer Antisemitismus für viele ein Vorwand
Davon unterschieden werden müsse allerdings der Antisemitismus der radikalen Islamisten, so Ranan. Dieser sei tatsächlich eine ernste Gefahr, werde aber von der großen Mehrheit der Muslime nicht geteilt.
Stattdessen, so Ranan, werde muslimischer Antisemitismus in Deutschland auch von Interessengruppen instrumentalisiert - einerseits von jüdischen Lobbyvereinigungen, andererseits auch aus der Mitte der deutschen Gesellschaft heraus: "In der deutschen Gesellschaft und nicht nur in der AfD ist man sehr dankbar dafür, wenn man zeigen kann, dass es im Bereich des Antisemitismus etwas Schlimmeres gibt als die Deutschen."
Darüber hinaus, so sagt Ranan, sei der muslimische Antisemitismus für viele ein Vorwand, um ihre grundsätzliche Ablehnung muslimischer Flüchtlinge zu kaschieren: "Da es ja peinlich ist, zu sagen, wir wollen sie nicht haben, weil wir Islamophoben sind; wir wollen sie nicht haben, weil wir Ausländer hassen; wir wollen sie nicht haben, weil wir den Islam hassen, sagt man: Nein, nein, wir wollen sie nicht haben, weil wir unsere Juden schützen."
Plädoyer für ein genaues Hinschauen
Dass Ranan zu dem Schluss kommt, muslimischer Antisemitismus sei nicht gefährlicher als der deutsche, hat ihm viel Kritik von verschiedenen Seiten eingebracht. Die Stärke seines Buches aber liegt im Plädoyer für ein genaues Hinschauen. Ohne Eifer, aber dafür mit wissenschaftlicher Aufrichtigkeit.
Muslimischer Antisemitismus. Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Verlag:
- Dietz Verlag
- Veröffentlichungsdatum:
- 23.03.2018
- Bestellnummer:
- 9783801205249
- Preis:
- 19,90 €