"Dreck und Glitzer": Biografie von Slime-Sänger Tex Brasket

Stand: 02.11.2024 09:47 Uhr

Vom obdachlosen Straßenmusiker in Berlin zum Frontman von Slime, der legendären Hamburger Punkband, das ist die Geschichte von Tex Brasket. Zusammen mit dem Journalisten Christian Schlodder hat er sie aufgeschrieben.

von Antonia Reiff

Mehrere Jahre lebt Tex Brasket in Berlin auf der Straße, spielt eigene Songs, meist auf dem sogenannten "Langen Jammer", einer kargen Bahnhofsbrücke. Der Ort, an dem er entdeckt wird. Später wird er auf Festivals, wie dem "Wacken" oder "Ruhrpott Rodeo" spielen.

Ich navigiere mich (…) in Richtung Bühne. Für einen kurzen Augenblick beame ich mich gedanklich wieder auf den versifften und eiskalten Beton der Berliner Straßen, auf denen ich so lange gespielt habe. (…) Noch vor wenigen Wochen hab ich an irgendwelchen Bahnhöfen gesessen, Gitarre gespielt und auf Kleingeld gehofft. (…) Ich bin im Tunnel. Die Gitarren kreischen. (…) Alles wird lauter, erwartungsvoller. Da unten, vor dieser Bühne, stehen etwa 8.000 Leute. Dann geht es los. Endlich. Zitat aus "Dreck und Glitzer"

Biografie von Tex Brasket: Schonungslos und direkt

Tex Brasket kommt 1980 in Texas zur Welt. Direkt nach seiner Geburt wird er auf sämtliche Drogen positiv getestet und erlebt als Säugling seinen ersten Entzug. Von seinen drogenabhängigen Eltern wird er wenige Monate später zur Adoption freigegeben und kommt zu seinen deutschen Adoptiveltern. Er wächst in der bayrischen Provinz auf und wird zu einem Suchenden - nach seiner Herkunft, seiner leiblichen Familie, nach Zugehörigkeit.

All das schildert Tex Brasket schonungslos, direkt und taucht dabei tief in seine Geschichte ein. Ein intensiver Schreibprozess für den 44-Jährigen: "Es war, das ist schwer in Worte zu fassen, überwältigend. Auf jeden Fall teilweise auch sehr schmerzhaft. Ich dachte, wenn es einmal aufgeschrieben ist, dann ist alles gut. Ich stelle aber bei Lesungen momentan fest, dass ich selbst aufpassen muss, dass ich nicht zu emotional werde, was bestimmt auf lange Sicht gesund ist. Aber es ist noch nicht vorbei. Es ist und bleibt ein sehr steiniger Weg, aber wahrscheinlich ein gesunder."

Härte der Straße wird schmerzhaft deutlich

Das Buch entsteht gemeinsam mit dem Journalisten Christian Schlodder, der ihn auf der Straße kennenlernt und Tex Brasket über Jahre begleitet. In den Kapiteln wechseln sich die beiden ab, schildern Braskets wildes, exzessives und von Gewalt geprägtes Leben, mal in der Innensicht von ihm selbst, mal in Schlodders Blick von außen. Ihre Perspektiven legen sich wie Schablonen übereinander. Ein Versuch, der Wahrheit, die immer subjektiv sei, etwas näher zu kommen.

Das Leben in der Obdachlosigkeit soll dabei nicht romantisiert werden. Die Härte der Straße und die nötige Kraft zum Überleben, wird schmerzhaft deutlich. Und trotzdem schreibt Tex Brasket, schon im Untertitel des Buches, immer wieder "vom Licht an dunklen Orten".

Vor mir steht ein junger Vater mit seinem etwa fünf Jahre alten Sohn. Der Kleine geht ein paar zaghafte Schritte auf mich zu, hält kurz inne. Ein tiefer, kurzer Seufzer, und entschlossenen Blickes überreicht er mir ein blaues Matchbox-Auto. (…) Der Kleine wirft einen letzten Blick auf das Ding, nickt unmissverständlich und rennt freudestrahlend zurück zu Papa. (…) das Auto habe ich heute noch. Zitat aus "Dreck und Glitzer"

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Berührendes Buch und bewegende Geschichte

Irgendwann landet ein Handy-Video im Internet, Menschen werden auf Tex Brasket aufmerksam und er nimmt erste Songs im Studio von Slime-Gitarrist Christian Mevs auf. Bis die Band einen neuen Sänger sucht und ihn fragt. "Ich habe mir dann eingeredet ich müsste da jetzt wirklich noch lange darüber nachdenken", erzählt Brasket. "So nach zehn Minuten habe ich dann Christian eine SMS geschickt und gesagt: Nein, vergiss alles, was ich gesagt habe. Ja! Bitte ja! Danke ja!"

Slime ist eine Institution im deutschen Punkrock und gilt bis heute als eine der einflussreichsten Punkbands Deutschlands. Tex Brasket hat als neuer Sänger mit dieser Band, mit dem professionellen Musikmachen ein Zuhause gefunden. Aus dieser, seiner neuen Situation heraus hat er ein hartes, brutales, aber eben auch eindrückliches und berührendes Buch über seine bewegende Geschichte geschrieben. Damit möchte er auch Hoffnung machen, "dass man einfach nicht aufgeben darf", sagt der Musiker. "Wenn man was wirklich will, dann muss man es einfach durchziehen. Wer lange genug dran glaubt, der kriegt das auch hin. Und wenn nicht, wenn dann doch alles schiefgeht, kannst du zumindest in den Spiegel gucken und kannst sagen: Ich habe es verdammt noch mal versucht." Und dunkle Orte gibt es überall - in uns, in der Welt, das muss nicht gleich die Straße sein. Aber Tex Brasket ist sich sicher: "Licht ist überall. Überall."