Bildband "Der Flohmarkt von Paris": Von Händlerinnen und Sammlern
Im Norden von Paris befindet sich der weltweit größte Flohmarkt. Kate van den Boogert und der Fotograf Toby Glanville machen mit ihrem Buch Lust darauf, mal selbst dorthin zu reisen.
"Les Puces" entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Erst kamen die Lumpensammler nach Paris Saint-Ouen, doch im Laufe der Jahre zog das, was sie in den Straßen von Paris gefunden hatten, immer mehr Kunden an. Später folgten professionelle Händler. Doch nicht nur sie fanden den Weg durch die Porte de Clignancourt im Norden der Stadt, sondern auch viele Künstler. Jacques Prévert, der große Volksdichter, beschrieb 1946 Eindrücke eines typischen Tages auf dem Flohmarkt in seinem Gedicht "Inventaire".
Händlerinnen und Händler im Fokus
Der Streifzug von Kate van den Boogert und Toby Glanville ist etwas anderer Natur. Sie lassen sich nicht treiben über einen Flohmarkt, der heute aus vielen einzelnen Flohmärkten besteht, auf denen jeweils verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. Sie porträtieren Menschen, die ihre Ware dort verkaufen und erzählen ihre Geschichte. Zum Beispiel die von Albert und Roxane Rodriguez. Sie versteckt die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille, er blickt lässig in die Kamera, weißes Hemd, helle Hose, ganz smarter Geschäftsmann. Er habe schon als Schüler mit dem Verkauf von Kunstgegenständen und Kameras Geld verdient.
Ich bin ein Kind von Les Puces. Meine Mutter Marianne war eine Persönlichkeit hier, genau wie Papa. Sie war sehr lebhaft und charismatisch, und alle mochten sie. Die meisten Antiquitätenhändler arbeiten zusammen in einem kleinen Betrieb, in dem der Mann auf die Jagd geht und die Frau sich um Verkauf und Buchhaltung kümmert. So haben auch meine Eltern angefangen. Leseprobe
Heute ist Albert Rodriguez spezialisiert auf Antiquitäten und Innenausstattung. Möbel, sogar einen Brunnen hat er im Angebot und Kronleuchter - mächtig und prächtig mit all ihrem Gold und Glas. Vor einigen Jahren hat der Modezar Louis Vuitton 20 davon für eine Modenschau gemietet.
"Ein Haufen nutzloser Gegenstände"
Nathalie Dupuis bietet Möbel und Keramikkunst an, Bernard Tinivella sieht man umgeben von antiken Skulpturen. Seinen Stand beschreibt er mit den Worten: "Ein Haufen nutzloser Gegenstände, die mir aber sehr am Herzen liegen." In seiner Freizeit hört er Barockmusik.
Ein Kollege hat eine Harfe im Angebot, eine Pedalharfe aus dem 18. Jahrhundert, aus Kirschbaumholz, gebaut von dem Komponisten, Harfenisten und Instrumentenbauer Jean-Francois Naderman. Er schenkte einst auch der Königin Marie-Antoinette zum 19. Geburtstag ein Instrument.
Viele solcher kleinen Geschichten sind zu lesen am Rande der Fotografien. Die zeigen vor allem, wie vielfältig das Angebot auf "Les Puces" ist. Auch Glasaugen sind hier beispielsweise zu erwerben, moderne Designklassiker, ein alter Schlüsselschrank und natürlich Gemälde und Bücher. Die Gegenstände sind unauffällig in Szene gesetzt, nicht inszeniert, aber liebevoll. Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die in Interviews von ihrer Arbeit erzählen, wie sie dazu gekommen sind, was sie ihnen bedeutet.
Ein werblicher Ansatz, der befremdet
Eva Steinitz, eine schmale junge Frau mit Plateauschuhen, hockt neben ihrer Tochter auf einer Türschwelle und blickt, als sei es ihr nicht ganz geheuer, abgelichtet zu werden. Sie schätzt an "Les Puces" "eine Form der Anonymität, in der alle gleich sind".
Die Interviews und die Bilder spiegeln viel von dem Geist, der den Flohmarkt ausmacht. Doch es fehlt das, was Prévert in seinem Gedicht beschreibt. Es gibt keine Fotografien von dem Treiben in Saint-Ouen, wir sehen keine Flaneure, keine Straßen, keine Menschen, die das tun, was man in Frankreich "chiner" nennt: sich treiben lassen und ziellos stöbern. Nur einmal, ganz zu Beginn des Bandes, lädt ein wie für ein Picknick gedeckter Tisch mit Wassermelone und Wein zum Verweilen ein.
Kate von den Boogert und Toby Glanville haben einen eher werblichen Ansatz, sie konzentrieren sich auf die Händlerinnen und Sammler. Von allen Ständen sind Adresse und Instagram-Account angegeben. Das befremdet und mildert doch nicht den Charme dieses Buches, das kundig in die Welt von "Les Puces" entführt und Lust macht, selbst dorthin zu reisen.
Der Flohmarkt von Paris
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Prestel
- Bestellnummer:
- 978-3-7913-7974-6
- Preis:
- 42 €